Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
Vom Netzwerk:
Beutel mit den Zutaten zusammen, die er gestern einem Beduinen abgekauft hatte.
    Raoul fühlte sich kräftiger und ging zu der kleinen Quelle, die zehn Schritte vom Lager entfernt zwischen den Felsbrocken entsprang und einen schmalen Bachlauf speiste, der sich über die steinige Schräge schlängelte und dann am Hang in die Tiefe stürzte. Dort zog er seine Kleider aus und wusch sich. Der Morgen war immer noch kalt, aber er genoss es, denn es würde bald sehr heiß werden.
    Seit gestern befanden sie sich im Amanusgebirge, das sich, dem Küstenverlauf folgend, zwischen Syrien und Kleinasien erstreckte.
Da sich die sand- und aschefarbenen Berggrate immer noch vor ihnen auftürmten, wusste Raoul, dass sie es noch nicht einmal zur Hälfte durchquert hatten. Nach den Gewaltritten der letzten zehn Tage kamen sie nur noch langsam voran, denn der Gebirgspfad wand sich um Schluchten oder Felswände herum und war steil und teilweise so schmal, dass sie hintereinander reiten mussten und Gefahr liefen, bei einem Fehltritt in die Tiefe zu stürzen.
    Ihr Vorhaben, nördlich von Haifa ein Schiff zu finden, war gescheitert. Akkon wurde seit zwei Tagen von den Johannitern belagert. Sie hatten einen weiten Bogen um die Kämpfe gemacht und waren weiter nach Tyros geritten, wo eine Mameluckenwache, die offenbar auf ihr Kommen vorbereitet war, sie festnehmen wollte. Erst in der Nacht gelang es ihnen, die Soldaten abzuhängen. Nach diesem Vorfall wagte es Battista nicht mehr, sich den Küstenstädten zu nähern, und so hatten sie beschlossen, nach Kilikien zu reiten, dem Reich der Exilarmenier außerhalb des Sultanats.
    Raoul spülte seinen Mund mit kaltem Quellwasser aus, bis der letzte Rest des üblen Geschmacks verschwunden war, und streifte sein Hemd über den feuchten Oberkörper. Er vermied es, sein Spiegelbild in dem kleinen Tümpel zu betrachten, denn er wusste, wie ungepflegt er aussah. Früher hatte er nur am Kinn einen kurzen Bart getragen; jetzt bedeckten schwarze Stoppeln Wangen, Oberlippe und Hals. Seine letzte Rasur lag eine Woche zurück, obwohl es früher undenkbar für ihn gewesen wäre, sich nicht jeden Tag den Bart zu schaben. Dass er jetzt darauf verzichtete, lag nicht nur daran, dass Battista sie Morgen für Morgen zur Eile antrieb; ihm fehlte auch schlicht die Kraft dazu. Bleierne Erschöpfung saß in jedem einzelnen Körperteil. Schon eine Kleinigkeit wie sich zu waschen weckte in ihm das Bedürfnis, sich wieder hinzulegen und zu schlafen.
    Im Sattel hielt ihn nur noch sein Wille - und Zorn. Zorn auf sich und auf seine Schwäche. Noch zwei verdammte Tage, dachte
er, als er zum Lager zurückging. So lange wirst du wohl noch durchhalten. Die Grenze war noch vierzig Meilen entfernt. In einer der kilikischen Küstenstädte, so hoffte er, würden sie endlich ein Schiff nach Konstantinopel finden können. Dann könnte er sich ausruhen. Doch bis zu diesem Moment würde er seinen wahren Zustand vor seinen Gefährten verbergen.
    Gaspare hatte Zweige der umstehenden Büsche in die Grube geworfen und ein Feuer in Gang gebracht. Er war zäher, als Raoul gedacht hatte, aber inzwischen war auch ihm die Erschöpfung anzusehen. Schatten lagen unter seinen Augen, und er hatte an Gewicht verloren. Seine gute Laune hatte er jedoch nicht eingebüßt. Auf einem flachen, glatten Stein, der in der Glut lag, buk er khobz, das ungesäuerte Brot der Beduinen, das aus Wasser, Mehl und Salz bestand und die Form eines flachen Kuchens hatte. Grinsend wies er mit seiner teigverschmierten Kelle auf Battista, der sich immer noch nicht regte. »Schau ihn dir an, unseren Kreuzritter. Wie ein junger Bursche nach seiner ersten Liebesnacht.«
    Der Venezianer musste tief und fest schlafen, andernfalls hätte Gaspare nicht den Mut aufgebracht, so zu reden. Seit Haifa war Battista immer der Letzte gewesen, der sich nachts schlafen legte, und der Erste, der am Morgen auf den Beinen war. Vier Stunden Schlaf genügten ihm. Raoul hatte schon geglaubt, die Kraftreserven des Hünen seien unerschöpflich. Dass dem nicht so war, ließ ihn wieder ein wenig menschlich wirken, zumindest in körperlicher Hinsicht. Was seine seelische Verfassung betraf … Raoul hatte noch keinen Mann getroffen, dessen Wesen so unnachgiebig und zielgerichtet war. Wie eine Speerspitze aus Obsidian.
    Mit seinem Messer löste Gaspare das khobz von dem Stein, legte ihn auf ein Stück Segeltuch und reichte es Raoul. Raoul pustete, bis der Fladen nicht mehr so heiß war, und biss ab, obwohl

Weitere Kostenlose Bücher