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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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sich nicht mehr darum, leise zu sein. Er wollte zu Ende bringen, weshalb er gekommen war, bevor die Wache etwas mitbekam.
    Kadar hatte schon viele Männer getötet, aber nie war es so süß, so befriedigend gewesen wie heute. Warum war er nicht
schon vor langer Zeit nach Konstantinopel zurückgekehrt? Welche Freuden er all die Jahre verpasst hatte!
    Kadar öffnete jene Tür, die er sich bis zum Schluss aufgespart hatte - genau dieselbe, durch die er zuletzt mit der weichen Hand des Leibdieners Michael auf seinen Schultern gegangen war.
    Er sah dasselbe Bett, denselben Baldachin. Nur roch es nicht mehr nach Duftwasser, sondern nach altem Mann.
    »Wer … wer seid Ihr?«, rief eine zittrige, angsterfüllte Stimme.
    »Ein kleiner, unartiger Junge«, sagte Kadar und trat ein.
     
    Er wäre nicht Wesir geworden, wenn er sich leicht entmutigen ließe. Und er hätte nicht dreißig Jahre bei Hof überlebt, wenn er nicht über eine gewisse Anpassungsfähigkeit verfügte.
    »Bitte setzt Euch«, forderte der Bischof ihn auf. »Soll ich meinen Diener bitten, Euch Wein zu bringen?«
    »Gerne.« Harun ibn-Marzuq ließ sich in einem der geschnitzten Sessel nieder. Der Pavillon im Garten des Palasts bestand nur aus einem Dach aus Zedernholz, getragen von vier geschnitzten Balken. Durch den Vorhang aus Weinranken schimmerte die Sonne. »Mein letzter Becher Wein liegt Jahre zurück. Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie schwierig es in Kairo ist, welchen zu bekommen. Die Sarazenen verbieten alles, was uns teuer ist.«
    Der Erzbischof von Konstantinopel nahm ihm gegenüber Platz. Er war ein grauhaariger Mann von durchschnittlicher Größe, dessen Gesicht in einer Menge nicht aufgefallen wäre. Seine Augen waren trüb, als schliefe er jeden Moment ein. Es hieß, er sei nur ein Handlanger des Patriarchen, nicht fähig, einen eigenständigen Gedanken zu fassen. Das kam ibn-Marzuq nur gelegen, allerdings hoffte er, dass der Mann ihm trotzdem die notwendigen Hinweise geben konnte. Denn in der byzantinischen Kirchenhierarchie noch eine Stufe höher zu gehen, wagte er nicht.

    »Erzählt mir von Eurer Gemeinde«, sagte der Bischof. »Ist es für unsere Brüder und Schwestern unter dem Sultan wirklich so schlimm geworden, wie man sich erzählt?«
    Ibn-Marzuq wartete, bis der Diener eingeschenkt hatte, dann lehnte er sich mit dem Becher zurück. »Einige meiner Glaubensbrüder wurden ausgepeitscht, weil sie es gewagt haben, eine öffentliche Messe zu lesen. Unsere Treffen halten wir im Geheimen ab, aus Furcht vor Spionen. Unsere Kirchen lässt der Sultan abreißen oder zu heidnischen Gebetsstätten umbauen. Wenn unser Glaube nicht so stark wäre … ich weiß nicht, was dann mit uns geschehen würde.«
    Diese Schilderung war maßlos übertrieben, doch verglichen mit den Gerüchten über das Schicksal der Christen im Sultanat vermutlich noch harmlos. Aber es war das, was alle hören wollten: die Geschichte der kleinen Gemeinschaft von Gläubigen, die von der heidnischen Mehrheit gequält und verfolgt wurde. Ibn-Marzuq hatte in der vergangenen Woche die Erfahrung gemacht, dass sie jedes Herz öffnete. Er hatte sie vielen erzählt, Priestern und Gelehrten, bis er schließlich hierher gelangt war. Und wie es schien, war auch der Bischof nicht gegen ihre Wirkung gefeit.
    »Ich werde für Euch beten, dass Ihr diese schwere Zeit der Prüfungen übersteht. Bitte, übermittelt Euren Brüdern und Schwestern meine Segenswünsche, wenn Ihr wieder in Kairo seid.«
    »Das werde ich. Ich bin sicher, das wird ihnen Mut machen.« Ibn-Marzuq nahm einen Schluck von dem vorzüglichen Wein, der für den erlesenen Geschmack seines Gastgebers sprach. Ibn-Marzuq hatte seine Reisekleidung angelegt, denn diese war schlicht genug, dass man ihm die Rolle eines einfachen arabischen Christen abnahm. Aber sie machte auch nicht einen so ärmlichen Eindruck, dass der Bischof ihn gar nicht erst empfangen hätte. »Eminenz, lasst mich auf mein eigentliches Anliegen zu sprechen kommen. Es wäre eine große Hilfe für meine
Gemeinde, wenn Ihr mir diese Schriftrolle zugänglich machen könntet.«
    »Die Aufzeichnungen von Athanasios.« Der Bischof ließ den Wein in seinem Kelch kreisen.
    »Ja. Wie Ihr wisst, hat er über den heiligen Antonius geschrieben, den Gründer unserer Gemeinde. Sie beide, Athanasios und Antonius, befanden sich in einer ähnlichen Lage wie meine Brüder und ich.« Ibn-Marzuq spielte auf die Christenverfolgung unter Kaiser Diokletian an. Er ging davon aus,

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