Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik
haben mag, Rabin entschloss sich jedenfalls zu dem unerhörten Schritt, direkte Verhandlungen mit der PLO aufzunehmen, und am 20. Januar 1993 setzten sich erstmals palästinensische und israelische Unterhändler an einem Tisch zusammen. Der norwegische Außenminister Johan Jørgen Holst hatte ein Schloss in den Wäldern bei Oslo zur Verfügung gestellt, wo sich die beiden Delegationen ungestört unterhalten konnten, er bewährte sich auch weiterhin als unermüdlicher Vermittler. Diese Gespräche
waren geheim – so geheim, dass nicht einmal die Amerikaner etwas ahnten und nicht einmal ich als Mitglied des Zentralkomitees etwas davon mitbekam. Im Grunde handelte es sich dabei um eine Abwandlung von Wischnewskis Idee eines Treffens zwischen Arafat und Peres, das am Widerstand Schamirs gescheitert war. Schaltstelle und Leiter der Verhandlungen war auf unserer Seite Mahmud Abbas, der später vor dem Weißen Haus auch seine Unterschrift unter den Vertrag setzte. Er darf als einer der Väter dieses Vertrags bezeichnet werden.
In der Nähe von Oslo handelte man nun also einen Plan aus, der die schrittweise Übernahme des Gazastreifens und des Westjordanlands durch die PLO regeln sollte. Ursprünglich war daran gedacht, mit Gaza den Anfang zu machen, dann wurde auf Drängen Arafats auch Jericho einbezogen, um den Zusammenhang zwischen beiden Landesteilen herzustellen. Und im August legten die Verhandlungsführer ein unterschriftsreifes Abkommen vor, das den Palästinensern die Gründung eines eigenen Staates in Aussicht stellte! Damit verbunden war die gegenseitige Anerkennung der PLO und Israels – der Schritt, auf den die Welt so lange gewartet hatte.
Die Sensation war perfekt. Die Israelis schienen ihren Traum von Groß-Israel aufgegeben zu haben. Kein Mensch hatte damit gerechnet. Die Amerikaner fühlten sich überrumpelt, doch Präsident Clinton war klug genug, dieses Abkommen sofort zu seiner Sache zu machen, und am 13. September 1993 kam es zu der historischen Begegnung im Garten des Weißen Hauses: Abbas und Peres unterschrieben im Beisein von Bill Clinton den Vertragstext, Arafat und Rabin besiegelten ihn anschließend durch Handschlag (was Rabin, für jedermann sichtbar, einige Überwindung kostete). Welch ein Bild! Fast zwanzig Jahre nach Arafats Auftritt vor der UNO in New York nun also diese fünf Männer vereint vor der Kulisse des Weißen Hauses in Washington: Bill Clinton, Schimon
Peres, Yizhak Rabin, Abu Mazen und Arafat, der diesmal sogar seine Pistole abgelegt hatte (nicht ganz freiwillig, wie man später erfuhr).
Im Rückblick muss man sagen, dass sich dieser Triumph einer selten glücklichen Konstellation in der Geschichte verdankte. Denn sowohl die Amerikaner, die doch gewissermaßen die Rolle der Schicksalsmacht im Nahen Osten für sich reklamierten, als auch die Araber, die sich in der Palästinafrage eigentlich zuständig fühlten, hatten keinerlei Einfluss auf diese Entwicklung gehabt. Wer hier – außer den beiden Hauptbeteiligten – zum Zuge gekommen war, das waren die Europäer, denen die USA gewöhnlich argwöhnisch auf die Finger schauten, wann immer ihre Politiker im Nahen Osten aktiv wurden. Seit den 70er-Jahren jedoch hatten die Europäer den geringen Spielraum, den die Amerikaner ihnen zugestanden, klug genutzt. Am Ende war es Norwegen gewesen, das es geschafft hatte, Israelis und Palästinenser zusammenzubringen – aber wie viele diplomatische Vorstöße der verschiedensten europäischen Staaten wie einzelner Politiker waren dieser Einigung vorausgegangen, wie vieler Begegnungen in Deutschland, in Europa, hatte es bedurft, um diesem Vertrag den Weg zu ebnen!
Die Ansichten über diesen Vertrag gingen indes weit auseinander. Weniger in Israel, wo die Knesset das Oslo-Abkommen trotz heftiger Siedlerproteste mit großer Mehrheit annahm, als vielmehr in der arabischen Welt und nicht zuletzt in der PLO.
Noch bevor die Amerikaner in Kenntnis gesetzt wurden, ließ Arafat im Zentralkomitee die Katze aus dem Sack – und löste damit eine der heftigsten Debatten in der Geschichte der Fatah aus. An diesem Tag hätte man kein Streichholz entzünden dürfen, so spannungsgeladen war die Atmosphäre im Sitzungsraum. Ich gehörte zu denen, die das Oslo-Abkommen begrüßten; Faruk Kadumi und andere hingegen lehnten es kategorisch
ab. Kadumis Einschätzung, dass die Israelis die Palästinenser täuschen und ins Leere laufen lassen würden, sollte sich sogar als zutreffend erweisen, nur tat
Weitere Kostenlose Bücher