Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik
dieser Delegation erhofften sich die USA, sie könnten die PLO als Partner im Friedensprozess auf Dauer ersetzen. Der Versuch, Arafat auf diese Weise endgültig kaltzustellen, wurde auch von manchen Europäern begrüßt. In Wirklichkeit jedoch waren die Mitglieder der palästinensischen Delegation allesamt Männer des Widerstands und Anhänger Arafats, nur dass sie (mit Ausnahme Faisal Husseinis) keine offizielle Funktion innerhalb der PLO innehatten.
(»Männer des Widestands« ist nicht ganz korrekt, weil der palästinensischen Delegation eine Frau angehörte, die christliche Politikerin Hanan Aschrawi. Frauen nahmen innerhalb der PLO überhaupt eine Stellung ein, die ihnen sonst in der arabischen Welt verwehrt wurde; bis heute bekleiden sie auch Führungspositionen. Der Grund dafür ist der beträchtliche Anteil an Christen unter den Palästinensern. Genannt seien nur drei herausragende Namen: Remonda Tawil, die Mutter von Arafats Frau Suha und Verfasserin des Buchs Mein Gefängnis hat viele Mauern , sowie Dr. Sumaya Nasser und Viola Raheb.)
So groß die Erwartungen an diese Konferenz waren – die Gespräche liefen ins Leere. Später gab der israelische Ministerpräsident Yitzhak Schamir, ein Likud-Politiker und Befürworter Groß-Israels, freimütig zu, er habe auf jahrelange, fruchtlose Verhandlungen gesetzt, um in der Zwischenzeit den Siedlungsbau ungestört vorantreiben zu können. Auch die Hoffnung der USA, die PLO vom Verhandlungstisch fernhalten und womöglich ganz ausschalten zu können, erfüllte sich nicht. Mit einem spektakulären Coup bekannte sich die palästinensische Delegation zur PLO, als sie unter großem Jubel im Juni 1992 mit Arafat in Amman zusammentraf und Hanan Aschrawi vor den Fernsehkameras ihren Kopf zur
Begrüßung an Arafats Schulter legte. In diesem Augenblick dürfte auch dem Letzten klargeworden sein, dass die PLO nicht zu umgehen war.
Das wichtigste Ergebnis der Madrider Konferenz lag meines Erachtens darin, dass wir Palästinenser überhaupt dabei waren, dass die Welt von uns sprach und es am Rande, nämlich auf den Fluren des Konferenzgebäudes, erstmals zu einem direkten Meinungsaustausch zwischen Palästinensern und Israelis gekommen war. Viel war das nicht; am Ende hatte sich eben doch Yizhak Schamir durchgesetzt, der nur unter dem Druck der USA teilgenommen hatte und nur in der Absicht angereist war, die Verhandlungen irgendwann platzen zu lassen. Vielleicht hätte die Konferenz dennoch einen anderen Verlauf genommen, vielleicht wäre in Madrid tatsächlich etwas in Gang gekommen, wenn nicht im letzten Augenblick ein Plan gescheitert wäre, den wir in Deutschland entwickelt hatten.
Urheber dieses Plans war Hans-Jürgen Wischnewski. Nicht nur, dass Ben Wisch im Nahen Osten über die besten Kontakte verfügte, er war auch derjenige deutsche Politiker, der es mit den Vertretern beider Seiten gleich gut konnte, der enge Beziehungen zur Führungsriege der israelischen Arbeiterpartei unterhielt, die um diese Zeit erstmals eine Koalition mit dem Likud eingegangen war, und von Rabin und Peres genauso gern empfangen wurde wie von Arafat, mit dem ihn eine herzliche Freundschaft verband. Diesmal hatte Wischnewski seine Beziehungen so geschickt spielen lassen, dass es Anfang 1992 fast zu einer Sensation gekommen wäre: Es war ihm nämlich gelungen, ein Treffen zwischen Arafat und dem israelischen Außenminister Peres einzufädeln. Den direkten Mittelsmann bei dieser Aktion hatte Israel Gatt gespielt, der israelische Vertreter bei der Sozialistischen Internationalen. Tatsächlich waren Arafat und Peres zu einer geheimen Unterredung bereit, obwohl das israelische Kontaktverbot natürlich
auch für Vertreter der israelischen Regierung galt. Wischnewski und ich wollten bei ihrem Treffen in Tunis dabei sein, und Israel Gatt sollte uns begleiten.
Der kam auch, und wir saßen abends noch lange in Köln bei Wischnewski zusammen. Unsere Maschine sollte am nächsten Morgen fliegen. Doch in der Nacht rief Ben Wisch bei mir zu Hause an. »Pech gehabt, Abdallah«, sagte er. »Peres wird nicht kommen.« – »Warum?« – »Schamir hat gedroht, die Koalition platzen zu lassen, wenn Peres sich auf ein Treffen mit Arafat einlässt.«
Arafat war enttäuscht, wir alle waren enttäuscht. Wie üblich waren es die Palästinenser gewesen, die den Kontakt gesucht hatten, wie üblich hatten die Israelis ihn gescheut. Aber natürlich brauchten wir die Israelis dringender als sie uns.
Beinahe übrigens
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