Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik
Frangi«, sagte er, »Sie wissen, wie sehr wir Ihre Person schätzen. Aber Sie können den Außenminister nicht im Verein mit den Botschaftern treffen.«
Nun gut, ich kehrte um. Was war schon geschehen? Nichts Ungewöhnliches. Eine kleine, diplomatisch korrekte Demütigung nur … Und trotzdem. Vorfälle dieser Art nagten an mir.
Und damit sollte es nun vorbei sein. Offen gesagt, wir waren euphorisch. Mit stolzgeschwellter Brust marschierten meine Mitarbeiter und ich am 3. Dezember ins Außenministerium ein, und ich bin sicher: Die Beamten dort, die uns kannten und viele Jahre unauffällig auf diesen Augenblick hingearbeitet hatten, waren kaum weniger glücklich als wir. Auch Kinkel wirkte irgendwie erleichtert, empfing uns mit großer Freundlichkeit und machte uns mit den neuen Gegebenheiten vertraut. Erstens nämlich habe man sich in der Absicht, unser Bonner Büro diplomatisch aufzuwerten, mit den europäischen Partnern auf die Bezeichnung »palästinensische Generaldelegation« geeinigt – »das kommt einem nicht ganz so leicht über die Lippen wie ›Generaldelegation Palästina‹, aber ich glaube, Sie werden damit zurechtkommen.« Des Weiteren
habe man sich darauf verständigt, dass wir vor unserem Büro von nun an die palästinensische Flagge hissen dürften. Und drittens sei man innerhalb der Bundesregierung übereingekommen, Präsident Arafat nach Deutschland einzuladen …
Wir schwollen vor Glück dermaßen an, dass die Welt für uns zu klein war.
Arafat in Bonn
Ja, es war der Anbruch einer neuen Epoche. Für uns Palästinenser, aber auch für die Deutschen, die sich womöglich gar nicht einzugestehen wagten, wie erleichtert sie waren. Aber mir fiel es auf. Jedenfalls habe ich die Reaktionen auf Arafats ersten Staatsbesuch in der Bundesrepublik, die Neugier auf ihn und die Bereitschaft, sich von seinem Charme gefangennehmen zu lassen, so gedeutet. Nur Bundeskanzler Kohl machte da anfangs eine Ausnahme.
Ein Knoten war geplatzt. Seit dem Zweiten Weltkrieg hatte das Damoklesschwert des Antisemitismusvorwurfs über Deutschland geschwebt, hatte sich die deutsche Politik wie die deutsche Öffentlichkeit in allen Fragen des Nahostkonflikts die strengste Zurückhaltung auferlegt und jede Stellungnahme vermieden, die in Israel als anstößig empfunden werden konnte. Nun, da die Israelis selbst mit ihrer Unterschrift unter dem Oslo-Abkommen grünes Licht für eine Lösung der Palästinafrage gegeben hatten, die den meisten Deutschen gerecht und seit Langem geboten erschien, durfte man sich auch in diesem Land öffentlich zu seiner Sympathie für die palästinensische Sache bekennen. Darüber hinaus wurden nach dem Oslo-Abkommen in Deutschland Energien freigesetzt, die ein einzigartiges Engagement zur Folge hatten: Kein anderer Staat der Europäischen Gemeinschaft leistete im Lauf der Zeit einen bedeutenderen Beitrag zum Aufbau Palästinas als die Bundesrepublik Deutschland.
Meiner Ansicht nach brach sich darin nicht nur ein lange Zeit unterdrücktes Gerechtigkeitsgefühl Bahn. Selten ausgesprochen,
waren sich die Deutschen wohl auch gegenüber den Palästinensern einer besonderen Verantwortung bewusst, wie sie Theo Sommer 1982 in der Zeit zur Sprache gebracht hatte: Ohne den Holocaust wäre den Palästinensern möglicherweise die Vertreibung mit ihren furchtbaren Folgen erspart geblieben. Ohne den Holocaust, möchte ich hinzufügen, hätte Israel zumindest niemals ein moralisches Recht beanspruchen können, das das Völkerrecht außer Kraft zu setzen vermag. Es war wohl nicht zuletzt diese moralische Komponente der deutsch-palästinensischen Beziehungen, die – nach der Wiedergutmachung für Israel – in Bonn so etwas wie eine Fürsorgepflicht für Palästina aufkommen ließ. Deshalb ließ ich keine Gelegenheit ungenutzt, in Deutschland für die Umsetzung des Oslo-Abkommens zu werben.
Alle sechs Besuche, die Arafat der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1993 und 2000 abstattete, waren für mich Anzeichen für die besondere Anteilnahme der Deutschen am Schicksal Palästinas – von den Politikern wurde Arafat nicht nur mit allen Ehren, sondern fast wie ein alter Freund empfangen, und in der Öffentlichkeit löste Arafat, wo immer er auftauchte, Kundgebungen uneingeschränkter Sympathie aus. Lediglich in einer protokollarischen Frage schlug sich die alte deutsche Unsicherheit gegenüber den Palästinensern nieder: Der Titel, den man Arafat im offiziellen Besuchsprogramm beilegte, wechselte von Besuch
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