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Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
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das in diesem Augenblick, wie ich fand, nichts zur Sache.
    Was Kadumi nicht einsehen wollte: Uns blieb gar keine andere Wahl. Wer sich auf Verhandlungen einlässt, muss nicht vom guten Willen seines Verhandlungspartners überzeugt sein, aber er muss ihn voraussetzen – bei jeder Verhandlung ist, ungeachtet aller womöglich berechtigten Bedenken, stets viel guter Glaube im Spiel. Wer verhandelt, geht notgedrungen davon aus, dass es den Versuch allemal lohnt. Kadumi aber hatte grundsätzliche Zweifel am guten Willen der Israelis und hätte den bewaffneten Kampf nach Oslo am liebsten fortgeführt, doch war diese Option noch weniger Erfolg versprechend als die, sich auf dem Verhandlungswege anzunähern.
    Am Ende sprachen sich neun dafür und neun dagegen aus. Das Zentralkomitee war also gespalten, aber ein Zerwürfnis wurde vermieden. Die Gegner des Abkommens ließen sich einstweilen nicht umstimmen, doch sie votierten auch nicht dagegen – sollte Arafat mit diesem Vertrag eben sein Glück versuchen … Das war der alte Stil des Zentralkomitees: Kam es einmal nicht zum Konsens, versuchte wenigstens keiner, einen Beschluss zu torpedieren, an dem Arafat viel lag. Im Übrigen urteilten auch andere skeptisch. Als ich Wischnewski den Text des Oslo-Abkommens zeigte, lautete sein Kommentar: »Viel Text und wenig Substanz. Nicht gut. Aber ein Anfang.« Und ganz ähnlich urteilte der deutsche Außenminister Klaus Kinkel: »Viel Papier, aber schwer umsetzbar.«
    Beide hatten recht. Das Osloer Abkommen war an Unverbindlichkeit kaum zu übertreffen – einer der Gründe, warum seither wenig von dem in Gang gekommen ist, was wir uns seinerzeit davon versprachen. Im Kern verpflichete es die Israelis zum Rückzug aus den besetzten Gebieten innerhalb einer
Frist von fünf Jahren – doch wie verbindlich waren die entsprechenden Paragrafen? Und warum war keine Rede von einem Ende des Siedlungsbaus, warum wurden jene palästinensischen Gefangenen mit keinem Wort erwähnt, die zu Tausenden in israelischen Gefängnissen festgehalten wurden? Vielleicht hätte uns schon misstrauisch stimmen müssen, dass das Osloer Abkommen in der Knesset kaum Widerspruch hervorgerufen hatte. Aber uns blieb nichts anderes übrig, als im Vertrauen auf die ehrlichen Absichten der Israelis alles auf diese eine Karte zu setzen.
    Und trotzdem … Trotz aller berechtigten Skepsis und ungeachtet aller späteren Enttäuschungen – das Abkommen von Oslo markierte den Anbruch einer neuen Epoche. Noch drei Wochen vor der Unterzeichnung in Washington hatte sich Außenminister Kinkel auf seiner Nahostreise geweigert, Arafat zu treffen, weil er sich wie die meisten Europäer den Standpunkt der Amerikaner zu eigen gemacht hatte und offzielle Kontakte zur PLO strikt ablehnte. Umso ungeheuerlicher war, was sich in den Monaten unmittelbar nach der Unterzeichnung abspielte. Schon im Oktober 1993 erhielt ich eine Einladung zu einem Abendessen mit dem norwegischen Außenminister Johan Jørgen Holst, ausgerichtet von den Amerika-Freunden der Atlantik-Brücke, deren Vorsitzender Walther Leisler Kiep von der CDU mich vermutlich noch einen Monat zuvor keines Blickes gewürdigt hätte. Und als Ende November bei mir das Telefon klingelte, war es jemand vom Auswärtigen Amt mit einer Einladung ins Büro des deutschen Außenministers.
    Ich wagte kaum daran zu glauben, dass Kinkel wahrhaftig mit mir sprechen wollte – nicht in seiner Eigenschaft als FDP-Mitglied, sondern in seiner Funktion als Außenminister der Bundesrepublik Deutschland! Dass es, mit anderen Worten, so weit war. Nach über zwanzig Jahren, in denen ich als PLO-Vertreter in Bonn eine Existenz im politischen Halbschatten
geführt hatte, je nach den Umständen mal zur Kenntnis genommen und dann wieder ignoriert. Dazu fällt mir eine kleine, aber typische Begebenheit aus den 80er-Jahren ein – der Tag, als sich das Korps der arabischen Botschafter zu einer Demarche im Auswärtigen Amt entschloss.
    Irgendetwas war vorgefallen, das ihnen diesen Schritt notwendig erscheinen ließ, und man war übereingekommen, mich mitzunehmen, obwohl es gegen die diplomatischen Spielregeln verstieß. Als wir das Amt betraten, erwarteten uns gleich hinter dem Eingang zwei Beamte, die ich gut kannte. Einer von ihnen kam auf mich zu und begann in höflichem Ton eine belanglose Unterhaltung. Die Botschafter ließen sich nicht aufhalten, und als sie im Gebäude verschwunden waren, gesellte sich der zweite Beamte zu uns. »Herr

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