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Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
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zu Besuch, obwohl sich an seiner Funktion in der Zwischenzeit nichts geändert hatte.
    Als »der Vorsitzende des Exekutivkomitees der PLO« wurde er 1993 bezeichnet. 1995 entschied man sich für »der Vorsitzende der Palästinensischen Autonomiebehörde«. Dann ging man zu »der Präsident der Exekutivbehörde des Palästinensischen Rats« über, und seinen Höhepunkt erreichte das verzweifelte Ringen um Unanfechtbarkeit mit der Bezeichnung »der Präsident des Exekutivrats der Palästinensischen
Selbstverwaltungsbehörde«. In solchen Verrenkungen schlug sich die Behutsamkeit nieder, zu der sich die deutsche Diplomatie immer noch gezwungen sah, wenn es darum ging, Verwicklungen mit Israel aus dem Weg zu gehen. Uns war die Bezeichnung gleichgültig – Hauptsache, »Yassir Arafat« war richtig geschrieben. Und zugegeben, der »Präsident« war schon ein bisschen gemogelt, denn eigentlich stand der Autonomieverwaltung kein Präsident zu. Aber klang »Vorsitzender« unverfänglicher? Nachdem sich die Sache eingespielt hatte, fanden sich die Deutschen mit der Bezeichnung »Präsident« ab, und heute, da man die Scheu vor den Reaktionen der Israelis überwunden hat, wird Abbas grundsätzlich als »Präsident« bezeichnet. Empfangen wurde Arafat in Deutschland jedenfalls von Anfang an wie ein Präsident, mit demselben protokollarischen Aufwand, der auch für einen Bill Clinton später in Berlin betrieben wurde.
    Doch zurück zu den Ereignissen des Jahres 1993. Als Erstes hissten wir die palästinensische Flagge, unter großem Applaus und in Anwesenheit des Generalsekretärs der Arabischen Liga, der eigens für diese Zeremonie aus Kairo angereist war. Journalisten wollten später bemerkt haben, dass ich Tränen in den Augen hatte; auf jeden Fall war es einer der erhebendsten Augenblicke meines Lebens. Dann flog ich nach Tunis und redete mit Arafat. Und nur vier Tage nach unserem Empfang bei Außenminister Kinkel, am 7. Dezember 1993, wurde Arafat vom Protokollchef der deutschen Regierung um 11.30 Uhr auf dem militärischen Teil des Flughafens Köln/ Bonn willkommen geheißen. Es war sein erster Staatsbesuch nach der Unterzeichnung des Oslo-Abkommens.
    Arafat – von der Bundesregierung hofiert! Die Palästinenser in Deutschland konnten es kaum fassen. Was mir selbst besonderes Vergnügen bereitete: Auch jene, die Arafat früher konsequent aus dem Weg gegangen waren, bestürmten mich in den Tagen zuvor, weil sie sich die Abendveranstaltung mit
Arafat in der Godesberger Stadthalle auf keinen Fall entgehen lassen und Eintrittskarten sichern wollten.
    Das Programm der nächsten zwei Tage war dicht und eng: nach kurzem Hubschrauberflug zum Gästehaus der Bundesregierung auf dem Petersberg um 12.30 Uhr die erste Unterredung zwischen Kinkel und Arafat, anschließend Mittagessen in Anwesenheit des israelischen Botschafters Avi Primor sowie der Botschafter Ägyptens und Jordaniens – jener beiden arabischen Staaten, die als Einzige diplomatische Beziehungen zu Israel unterhielten –, um 15.45 Uhr Treffen mit den übrigen arabischen Botschaftern und um 17.50 Uhr Abflug zum Kanzleramt.
    Was mich in diesen zwei Tagen immer wieder beeindruckte, war die Dynamik eines solchen Staatsbesuchs. Es galt die höchste Sicherheitstufe. Arafat und seine Begleiter absolvierten jeden Ortswechsel in Hubschraubern des Bundesgrenzschutzes, womit auch den beengten Verhältnissen in Bonn Rechnung getragen wurde, und jedes Mal, wenn die Hubschrauber aufstiegen, brach der ganze Tross aus Journalisten, Sicherheitsleuten, Ärzten und so weiter in seinen Fahrzeugen auf und steuerte das nächste Ziel an. Solange Arafat in der Luft war, war am Boden alles in Bewegung, wenn Arafat landete, sammelte sich wieder alles – es war eine pulsierende Masse von Hunderten von Menschen, beherrscht von dem einzigen Gedanken, Arafat auf den Fersen zu bleiben.
    Für das Gespräch mit Bundeskanzler Kohl hatte das Protokoll eine Stunde anberaumt. Tags zuvor war ich mit Kohls außenpolitischem Berater und engen Vertrauten, Joachim Bitterlich, alle Punkte durchgegangen, die ihm wichtig erschienen  – die Themen, die angeschnitten werden sollten, die Umgangsformen, an die Arafat gewöhnt war und die er selbst an den Tag legte, seine Vorlieben und seine Empfindlichkeiten … irgendwann hatte ich den Eindruck, der deutsche Bundeskanzler
bereite sich auf den Besuch eines Außerirdischen vor. Trotzdem kam es während der Unterredung mit Kohl zu einer Irritation.
    Er habe

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