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Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
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Israels. Tatsache ist, dass auch die Mauer der Logik des Landraubs folgt.
    Ihr Verlauf hält sich nämlich nicht an die Grenze von 1967. Sie windet sich vielmehr wie eine Schlange durch unser Gebiet und schneidet wie nebenbei 10 Prozent aus der Fläche des Westjordanlands heraus. Diese Sperranlage zerteilt Städte, schneidet palästinensische Bauern von ihren Feldern und Olivenhainen, palästinensische Dörfer von ihren Schulen und
Krankenhäusern ab, verleibt C-Zonen dem israelischen Staatsgebiet ein und kassiert gleichzeitig jene Landstriche, unter denen sich erhebliche Grundwasserreserven befinden. Nach ihrer Vollendung wird sich eine haushohe, schmutzig graue Betonwand, nur von Wachtürmen und Checkpoints unterbrochen, auf einer Länge von 760 Kilometern von Norden nach Süden ziehen. Der Käfig für zweieinhalb Millionen Palästinenser wäre fertig.
    So stellt sich die Gegenwart Palästinas dar. Wie denkt sich Israel die Zukunft?
    Der palästinensische Staat, dem Israel gegebenenfalls seine Zustimmung erteilen würde, sähe folgendermaßen aus: 40 Prozent seines Territoriums, und zwar die gesamte Grenzregion entlang des Jordans, verbleibt unter israelischer Kontrolle. Seine Grenzen mit Jordanien und Ägypten werden von israelischen Grenzbeamten bewacht, das westliche Jordanufer bleibt von der israelischen Armee besetzt. Dieser Staat ist entmilitarisiert – wozu wir im Prinzip bereit wären –, muss darüber hinaus aber auch auf die Lufthoheit wie auf die Hoheit über seine Küstengewässer verzichten. Mit anderen Worten: Die Israelis denken nicht daran, Palästina aus ihrem Machtbereich zu entlassen. Das Palästina, dem sie zustimmen könnten, wäre ein Staat von Israels Gnaden, ein kraftloses Gebilde, seinem übermächtigen Nachbarn auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
    Verhandlungen sind unter diesen Bedingungen sinnlos. Klarheit tut not. Daran hat es bisher gemangelt. Wir Palästinenser wollen nun alles versuchen, Klarheit zu schaffen. Recht und Unrecht, Unterdrücker und Unterdrückte müssen benannt werden. Wir zählen auf die Unterstützung der Weltgemeinschaft, wenn wir im September 2011 den Antrag stellen, von der Generalversammlung der UNO als Mitgliedstaat anerkannt zu werden. Wir hoffen, Israel auf diesem Wege dazu zu bringen, endlich seine Grenzen festzulegen. Und wir bestehen
darauf, dass sich die Grenzziehung zwischen Palästina und Israel am Zustand vom 4. Juni 1967 orientiert, dem Tag vor dem Beginn des Sechstagekriegs. Sobald in diesem Punkt Klarheit herrscht, wäre verbindlich festgestellt, dass sich die jüdischen Siedler auf fremdem Staatsgebiet niedergelassen haben, dass ihre Siedlungen folglich gegen internationales Recht verstoßen und geräumt werden müssen. Dann kann über die Rückkehr der Siedler nach Israel gesprochen werden.
    Die Ausgangslage für eine internationale Anerkennung Palästinas war noch nie so günstig. Zum einen deshalb, weil es im Frühjahr 2011 durch ägyptische Vermittlung zu einer Einigung zwischen der Fatah und der Hamas gekommen ist. Die palästinensische Aussöhnung – Teil des großen Wandels im Nahen Osten – ist die notwendige Voraussetzung für die Bildung eines lebensfähigen palästinensischen Staates; sie macht den Weg für Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in beiden Landesteilen frei; sie erlaubt uns endlich wieder, mit einer Stimme zu sprechen; sie stabilisiert die ganze Region, denn der Frieden mit Israel, den wir anstreben, kann nun im Namen aller Palästinenser geschlossen werden. Seit meiner Rückkehr nach Gaza im Frühjahr 2011 kämpfe ich daher für diese Versöhnung – mit den Mitteln, derer ich mich stets bedient habe: öffentliche Reden, Interviews, persönliche Gespräche. Und zweitens: Im Westjordanland sind mittlerweile alle Bedingungen für einen lebensfähigen Staat erfüllt. Anders als in der Anfangszeit, gibt es dort heute solide demokratische Strukturen, eine funktionierende Verwaltung, eine zuverlässige Polizei – auch die Weltbank, der Internationale Währungsfonds und die Vereinten Nationen bescheinigen der Autonomiebehörde, reif für die Unabhängigkeit zu sein. Bei unvoreingenommer Betrachtung steht der Ausrufung eines palästinensischen Staates also nur eins im Wege: Israels Weigerung, die Palästinenser in die Freiheit zu entlassen.

    Auf die Unterstützung der USA scheinen wir bei unserem Vorhaben allerdings nicht mehr zählen zu dürfen. Obamas Worte haben sich als leere Versprechungen erwiesen, der

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