Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik
Sieg mit einer spektakulären Aktion aus. Vor den laufenden Kameras der internationalen Fernsehstationen rissen israelische Bagger am 9. Januar 2011 das Shepard’s Hotel in Ost-Jerusalem ab, den ehemaligen Familiensitz der Familie Husseini, der auch Faisal Husseini entstammte. Das traditionsreiche Bauwerk war im 19. Jahrhundert errichtet worden und diente nach 1949 als Hotel. Binnen drei Stunden hatten die Bagger dieses Wahrzeichen des arabischen Jerusalems zu großen Teilen dem Erdboden gleichgemacht. Die Außenministerin der USA, Hillary Clinton, protestierte, die Außenbeauftragte der EU, Catherine Ashton, protestierte. Das war’s.
Nur die Sympathie der Welt könne uns gegen Israel helfen, hatte ich den Heißspornen von den Al-Aksa-Briganden erklärt. Vielleicht war das falsch. Vielleicht kann uns gar nichts gegen Israel helfen. Vielleicht behält eine kleine, radikale, zu
allem entschlossene und für keine Vernunft der Welt zugängliche Gruppe von Israelis tatsächlich das letzte Wort: die militanten Siedler, die orthodoxen Eiferer und jene Politiker, die ihnen dankbar die Schmutzarbeit bei der schleichenden Annexion der palästinensischen Gebiete überlassen. Da diese Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen ist, möchte ich an dieser Stelle noch einmal näher auf die Siedler eingehen.
Im Sommer 1994 kam es in Aschdod (Israel) zu einem ausführlichen Gespräch mit meinem langjährigen jüdischen Freund Dan Diner, Historiker an der Hebräischen Universität in Jerusalem und Leiter des Simon Dubnow Instituts für jüdische Geschichte in Leipzig, über die Zukunft Palästinas. Er sagte mir damals: »Die Siedlungen werden sich als eines der größten Probleme herausstellen. Die Siedler werden von Tag zu Tag radikaler. Ihre Ideologie ist intolerant und aggressiv. Ich mache mir Sorgen. Nicht, dass sie einen Anschlag auf Arafat verüben …« Er sollte mit seiner Einschätzung grundsätzlich Recht behalten. Ein Jahr nach Rabins Ermordung blies Scharon, seinerzeit Bauminister, zum Angriff und rief die Siedler auf, alle Anhöhen und Gipfel des Westjordanlands zu besetzen. Und als 2005 infolge des israelischen Rückzugs aus dem Gazastreifen die dortigen Siedlungen aufgegeben werden mussten, geschah das mit dem Plan, sie durch neue Siedlungen im Westjordanland zu ersetzen. Mittlerweile ist die Zahl illegaler Siedler auf eine halbe Million angewachsen; 200 000 von ihnen haben sich in Ost-Jerusalem festgesetzt, 300 000 im Westjordanland. Auf einer Landkarte würde man sehen, dass sie mit ihren Bastionen alle Höhenzüge besetzt halten, dass die Inseln der Feindseligkeit das Westjordanland regelrecht durchwuchern, sodass ein Staat Palästina gar nicht lebensfähig wäre, sollten die Siedlungen bestehen bleiben. Was man auf einer Landkarte nicht sähe: die über 500 Straßensperren, durch die Israel mehr als die Hälfte des palästinensischen Territoriums kontrolliert.
Wie gehen die Siedler vor? Sie suchen sich einen Platz in strategisch günstiger Berglage und stellen dort ihre Wohnwagen auf (meist handelt es sich um Juden aus Russland oder den USA). Da die israelische Armee verpflichetet ist, allen Juden – wo auch immer – Schutz und Sicherheit zu bieten, ziehen israelische Soldaten nun einen Zaun um den vorerst provisorischen Lagerplatz und verhindern so, dass aufgebrachte Palästinenser die Ankömmlinge vertreiben. Man kann diese Menschen natürlich nicht ohne Wasser lassen, also verschafft ihnen die Armee Zugang zu Trinkwasser. Genauso wenig kann man sie ohne Elektrizität lassen, also besorgt ihnen die Armee einen Anschluss ans Stromnetz. Es dauert dann nicht mehr lange, bis sich Wohnwagen und Zelte in feste Häuser, Häuser in Dörfer und Dörfer in Städte verwandeln.
Jeder Jude, der dazu Lust hat, kann sich auf diese Art in den Besitz palästinensischen Bodens bringen. Damit nicht genug, greifen die Siedler seit 2009 ihre palästinensischen Nachbarn an und zerstören deren Brunnen, Olivenhaine und Obstbaumgärten. Setzen sich die Bauern zur Wehr, schreitet die israelische Armee zugunsten der Siedler ein. Und dies alles geschieht mit dem Segen orthodoxer Rabbiner und dem stillschweigenden Einverständnis israelischer Politiker.
Zur palästinensischen Wirklichkeit gehört heute darüber hinaus eine brutale Ungeheuerlichkeit, die denselben Köpfen entsprungen ist wie die kontinuierliche Unterwanderung der Autonomiegebiete: die Mauer. Gerechtfertigt wird sie, wie üblich, mit dem Sicherheitsbedürfnis
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