Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik
(Unser Palästina). Die Redaktion saß im Libanon. Niemand wusste, dass Abu Dschihad dahintersteckte – kein Beitrag war namentlich gekennzeichnet –, aber wer ihn kannte, dürfte den Stil seiner Reden in seinen Artikeln wiedererkannt haben. Berichte über die alte Heimat spielten darin eine große Rolle, es erschienen Reportagen über Jaffa, über Haifa, um in Erinnerung zu rufen, was wir verloren hatten, aber sie enthielt natürlich auch Aufrufe zum Widerstand. Wartet nicht auf die Hilfe eurer arabischen Brüder, nehmt euer Schicksal selbst in die Hand! – das war das Motto von Filistinuna , und deshalb wurde Abu Dschihads Zeitschrift von manchen heftig attackiert, von der Baath-Partei, von den arabischen Nationalisten. Es ging so weit, dass die Redakteure von Filistinuna der Zusammenarbeit mit der CIA oder dem Geheimdienst der NATO bezichtigt wurden. Auch mir gefielen nicht alle Artikel, manches war übertrieben emotional, aber das war natürlich kein Grund, einen Vorschlag abzulehnen, den Abu Dschihad
mir im Sommer 1960 machte, nämlich Mitglied der Fatah zu werden.
Es war, weiß Gott, ein feierlicher Moment. Fast wie der Beitritt zu einer Geheimreligion. Ich musste erklären, für die politischen Ziele der Fatah einzutreten – wozu ich sofort bereit war. Ich musste hoch und heilig schwören, mein Leben in den Dienst der Fatah zu stellen, die Bewegung nie zu verraten und für die Befreiung Palästinas zu kämpfen – was mir ebenfalls nicht schwerfiel. Aber ich spürte doch plötzlich die Last der Verantwortung auf meinen Schultern, und das Gefühl, die Zukunft Palästinas hänge nun von mir ab, hat mich seit dieser Stunde nie mehr verlassen. Dazu kam das Gebot absoluten Stillschweigens. Natürlich durfte ich niemandem davon erzählen, durfte mich nicht einmal meinen engsten Freunden gegenüber zu erkennen geben, denn die Mitgliedschaft in der Fatah war grundsätzlich geheim. Schon deshalb, weil die Ägypter nach dem Schock des Suezkriegs die Waffenstillstandsbedingungen einzuhalten gedachten und Partisanen ins Gefängnis warfen. Abu Dschihad konnte sich nur durch Flucht seiner Verhaftung entziehen, auch Mohammed stand unter Verdacht, wir mussten vorsichtig sein. Filistinuna immerhin wurde nicht verboten.
Ich muss zugeben: Am Lebensstil des leichtsinnigen jungen Mannes, der ich damals war, änderte sich nach der Aufnahme in die Fatah nicht das Geringste. Ich genoss meine Tage. Morgens fuhr ich im bunt geblümten, offenen Hemd mit dem Jeep meines Vaters zur Schule, und die Nachmittage verbrachte ich meist am Strand, immer häufiger in der Begleitung von Mädchen (vorläufig aus der weiteren Verwandtschaft). Weder von dem geblümten Hemd noch von dem Jeep hätte mein Vater wissen dürfen, und auch die Nachmittage am Strand wären kaum in seinem Sinne gewesen, denn eigentlich hätte ich mich aufs Abitur vorbereiten müssen. Geschadet haben mir meine Eskapaden aber nicht, denn 1962 bestand ich das Abitur. Und
in der Folgezeit freundete ich mich mit dem Gedanken an, zum Studium nach Deutschland zu gehen.
Es war nicht mein erster Gedanke gewesen. Gleich nach dem Abitur hatte ich etliche arabische Staaten angeschrieben und um Aufnahme in eine Militärschule gebeten. Mein Plan war, Offizier zu werden. Zu meiner großen Enttäuschung wurde ich überall abgelehnt. Die ägyptische Armee nahm keine Palästinenser an, aus Syrien erhielt ich einen abschlägigen Bescheid, und mein Brief an den Irak ist bis heute unbeantwortet geblieben. Inzwischen war mein bester Freund Amin el-Hindi nach Deutschland abgereist, um in Frankfurt am Main Volkswirtschaft zu studieren, und erst jetzt, nach diesem Fehlschlag, dachte ich daran, ebenfalls nach Deutschland zu gehen.
Warum nach Deutschland?
Deutschland war mir sympathisch, wie es durchweg bei allen Palästinensern der Fall war. Sympathischer als andere westeuropäische Länder jedenfalls. England und Frankreich waren als Kolonialmächte bei uns ohnehin in Verruf und nach dem Suezkrieg völlig diskreditiert. Deutschland hingegen hatte sich in unserer Region nie unbeliebt gemacht, und außerdem gab es dort Arbeit, auch für Studenten, die in den Semesterferien jobben wollten. Hinzu kam, dass die deutschen Universitäten gebührenfrei waren. Es entsprach also der Stimmung im Land, dass sich die meisten Palästinenser, die in Europa arbeiten oder studieren wollten, nach 1956 für Deutschland entschieden, aber es gab auch handfeste praktische Gründe dafür. Und da mich der Beruf
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