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Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
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wohlwollenden Zuhörer, der den Argumenten seines jungen Gesprächspartners bereitwillig folgte . Ich war verblüfft, so kannte ich meinen Vater nicht. Allem Anschein nach war er nicht grundsätzlich
gegen eine gewaltsame Befreiung unserer Heimat – er wollte uns Kindern wohl lediglich seine eigenen Erfahrungen mit einem hoffnungslos überlegenen Gegner ersparen. Noch erstaunlicher aber war: Er ließ es nicht bei freundlichen Worten bewenden, er war sogar bereit, eine Widerstandsbewegung, der sein eigener Sohn angehörte, finanziell zu unterstützen!
    Mohammed und Abu Dschihad waren nämlich übereingekommen, das Nächstliegende zu tun und zwei Männer anzupumpen, die im Widerstandskampf gegen die Engländer eine führende Rolle gespielt hatten – meinen Vater und Abdallah Abu Site, denjenigen seiner Mitstreiter, der ihn nach seiner Verletzung in Sicherheit gebracht hatte. Die beiden gingen davon aus, dass diese zwei ihrer Sympathie für den Befreiungskampf auch finanziell Ausdruck verleihen würden, und sie hatten sich nicht verkalkuliert – beide stellten ihnen eine beträchtliche Summe zum Kauf von Waffen zur Verfügung. Allerdings war Mohammed so klug gewesen, mit Abu Site zu sprechen und Abu Dschihad auf meinen Vater anzusetzen.
    Dann bezogen wir gegen Ende des Jahres 1959 die große Villa in Gaza-Stadt, die mein Vater für uns gebaut hatte. Ich vermute, dass er damit zumindest äußerlich einen Schlusspunkt unter unsere Vertreibung setzen wollte, denn von nun an unterschied sich unser Lebensstil kaum noch von dem, den wir vor der Vertreibung gewohnt waren. Etwa zur gleichen Zeit kam es zu einem Ereignis, das mein Leben wie kein anderes prägen sollte, denn am 10. Oktober desselben Jahres wurde in einer Privatwohnung in Kuwait die Gründung der Untergrundorganisation Fatah beschlossen.
    An diesem Tag also mündeten die spontanen und sporadischen Widerstandsaktionen der Anfangszeit in den gezielten Aufbau einer militärischen Organisation. Als Vorbilder dienten die Algerier, die den Befreiungskampf gegen Frankreich in die eigenen Hände genommen hatten, die Vietnamesen mit
ihrem Aufbegehren gegen die französische Kolonialherrschaft sowie die Jugoslawen, die sich erfolgreich gegen Hitler zur Wehr gesetzt hatten. Bestand über den Zweck der neuen Organisation unter den Gründungsmitgliedern Einigkeit, so bereitete ihr Name zunächst Kopfzerbrechen. Denn die offizielle Bezeichnung lautete Harakat al-Tahrir al watani al-Falestini (Nationale Bewegung für die Befreiung Palästinas), und die üblicherweise benutzten Initialien ergaben folglich HTF, was sich auf Arabisch wie »plötzlicher Tod« liest. Arafat war damit unzufrieden und machte den originellen Vorschlag, die Initialienreihe einfach umzudrehen. Dadurch entstand die Buchstabenfolge FTH, und aus dem plötzlichen Tod wurde ein Wort, das mit »Sieg« oder »Eroberung« übersetzt werden kann: Fatah.
    Die Namen derer, die am 10. Oktober dort in Kuwait versammelt waren, werden von nun an immer wieder auftauchen, weil diese Männer jahrzehntelang die Säulen der Fatah bildeten und als Mitglieder des Zentralkomitees zu denjenigen gehörten, mit denen ich ab 1967 regelmäßig zu tun hatte. Außer Yassir Arafat, Abu Dschihad und meinem Bruder Mohammed waren es Salah Khalaf (Abu Iyad), Faruk Kadumi (Abu Lutuf), Mahmud Abbas (Abu Mazen), Khaled el-Hassan (Abu Said), Yusef el-Najjar (Abu Yusef), Kamal Adwan und einige andere. Sie werden in diesem Buch in aller Regel mit ihrem jeweiligen Decknamen genannt werden, weil es bei uns so üblich war. Natürlich wäre auch keinem von uns eingefallen, Arafat mit »Arafat« oder »Yassir« anzusprechen – für uns hieß er Abu Amar (wobei »amar« mit »der Aufbauende« zu übersetzen wäre). Jeder redete ihn mit diesem Namen an, als »Bruder Abu Amar«; Yassir Arafat kam erst später in Gebrauch, vorwiegend bei offiziellen Anlässen.
    Dieser Zusammenschluss kämpferischer, junger Männer unterschied sich stark von der Kaste altgedienter Politiker an der Spitze der bereits existierenden arabischen Parteien. Er
markierte einen Generationenwechsel in der arabischen Politik und erklärt auch die Dynamik, die einer unbedeutenden Gruppierung binnen fünfzehn Jahren dazu verhalf, sich als überlegene Kraft im palästinensischen Befreiungskampf durchzusetzen. Die eigentliche Stärke der Fatah aber lag meiner Ansicht nach in einer Führungsriege, die durchweg aus Akademikern, Intellektuellen und Gebildeten bestand. Jeder von

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