Der Gesang der Haut - Roman
Klara wurde sofort gern aufgenommen und versteht sich sehr gut mit Martin und Sophie. Sophie vergöttert sie.
Hoffentlich flirtet dein Bruder nicht zu viel mit ihr, sagte Gerlach, wenn du jetzt so weit weg bist.
Na, was erzählst du für einen Schmus, Gert. Frau Gerlach wandte sich wieder Viktor zu: Es scheint, dass mein Mann, weil er alt …
Nur älter, wie jedermann …, wandte Gerlach ein.
… sich entschlossen hat, alles zu sagen, was ihm gerade einfällt.
Ein Kranker verliert keine Zeit mehr. Gerlach wandte sich augenzwinkernd an Viktor. Ich habe keine Zeit für Höflichkeitsfloskeln, Umwege und fade Beteuerungen.
Vielleicht lernen wir sie alle kennen, Ihre Liebsten, lieber Viktor, wenn sie zu Besuch kommen, nicht wahr, Gert?
Ich hoffe, Weber, du langweilst dich nicht bei uns, platzte Gerlach heraus, ich spüre, dass ich heute zum Gähnen bin, und meine Frau war es schon immer.
Gert!
Frau Gerlach hatte empört die Hand gehoben, die noch ihre Gabel fest umschloss, und senkte sie so plötzlich, dass sie die Hand ihres Manns erwischte, die er ihr gerade versöhnlich-spöttisch zugestreckt hatte. Er schrie. Auch der Hund bellte kurz auf. Auf Gerlachs Haut vermischten sich ein Tropfen Blut und ein Tropfen Sauce vor Viktors staunendem Blick.
Ach! Es tut mir leid, sagte Frau Gerlach, warum erzählst du auch so einen Unsinn?
Und du, wann lässt du den Blödsinn sein?
Ich hole Desinfektionsmittel und ein Pflaster.
Nicht nötig.
Doch.
Frau Gerlach hatte sich ins Bad entfernt und Gerlach tätschelte Viktors Hand. Ach, weißt du, die Zeit macht die schönsten Liebesgeschichten kaputt. Selten trifft man sie, die Überlebenden der Ehe, die, die sich noch auf den Nacken küssen und den Partner in einem günstigen Licht beleuchten, ach, junger Mann, wir haben es jetzt kalt.
Ich meine, wenn Sie solche Sachen sagen wie das eben, begann Viktor und traute sich nicht, Gerlach in die Augen zu sehen.
Wir waren doch per Du. Was habe ich denn gesagt?
Dass sie langweilig ist. Ich finde es nicht.
Na ja, einfallslos ist sie schon, war sie auch immer, aber früher nannte ich das Langweilige friedlich, das Belanglose ruhig. Einer Geschwätzigen oder einer Temperamentvollen, einer Intellektuellen oder einer leidenschaftlichen Künstlerin wie deiner Klara hätte ich früher nicht lange standhalten können, der Mann muss schon ein bisschen dominieren, oder?
Niemand muss dominieren, wehrte Viktor ab.
Du hast die unsäglich dummen, aber politisch korrekten Meinungen der korrekt erzogenen jungen und dummen deutschen Generation … Ich suche ihn noch, den Mann, der seiner Frau nicht überlegen sein möchte.
Wen suchst du?, fragte Frau Gerlach, die eben in das Zimmer getreten war.
Mich!, lachte Gerlach.
Sie tupfte den Kratzer auf seiner Hand ab. Ihr Mann bewegte und wand sich sichtlich, um ihr die Aufgabe zu erschweren. Als sie fertig war und sich umdrehte, gab er ihr einen Klaps auf den Po. Sie seufzte: Was soll ich mit so einem Grobi machen, Viktor? Hm? Was meinen Sie? Ihn im Schlaf ersticken? Wir haben leider keine Waffe. Und er hat vergessen, wo er die Schlüssel zum Giftschrank versteckt hat.
Ich habe ihn nur vor dir versteckt.
Außerdem: Soll ich wegen dieses Typs mein Leben im Gefängnis beenden? Niemals.
Wollen Sie wirklich heiraten, junger Mann?, hob Frau Gerlach die Schulter.
Willst du ihm davon abraten?, fragte Gerlach.
Wollen Sie langsam absterben?, echote Frau Gerlach.
Willst du dich in einen Käfig einsperren lassen und verdursten?, so Doktor Gerlach.
Soll ich Ihnen den Giftschrank knacken?, bluffte Viktor.
Beide Gerlachs schauten sich an wie Kinder, denen man endlich den Zirkusbesuch erlaubt hat.
Sieh mal da, sagte Gerlach, unser lieber Viktor wird wach!
Wissen Sie, warum die Ehe für viele unerträglich ist?, murmelte Frau Gerlach. Nach dem eher scherzhaften Schlagabtausch schien sie erschöpft zu sein.
Viktor begnügte sich damit, eine hilflose Geste zu machen.
Ich habe immer Kalbsnierenbraten gehasst, behauptete Gerlach, diese verdammten Nieren sind getränkt mit der Pisse des Kalbes. Meine Frau betrachtet aber ihren Nierenbraten als das Feinste der deutschen Küche.
Die Ehe ist unerträglich, schüttelte Frau Gerlach den Kopf, weil die Wahrheit unerträglich ist. In der Ehe können Sie sich und dem anderen nichts mehr vormachen. Sie sind nackt, nackt, nackt.
Die letzten Worten hatte sie so hart ausgesprochen, als knackte sie Nüsse. In diesem Augenblick sah Viktor Henrietta Gerlach zum ersten
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