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Der Gesang der Haut - Roman

Der Gesang der Haut - Roman

Titel: Der Gesang der Haut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Picus-Verlag
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Stadt, mit einem Menschen überhaupt.
    Warum lächelst du?
    Weil du lustig bist. Was machst du, wenn du nicht filmst oder an deinem Drehbuch schreibst?
    Ich zupfe mir die Beine. Ich helfe im Haushalt meiner Exschwiegermutter und höre mir ihre Klagen an. Ich lese und gehe ein bisschen spazieren. Ich gebe es nicht gerne zu, da ich diese Grundstufenromantik hasse, aber ich liebe winterliche Landschaften, Teiche, Reiher, die langsam im Wasser schreiten, Wasser überhaupt, das Licht des Tages im Wasser. Ich mag auch Katzen, kleine Kinder, wenn sie nicht schreien, alte Leute, wenn sie nicht keifen. Sollen wir nicht etwas anderes als kalten Kaffee trinken? Wir könnten auch ein Abendessen vorbereiten,
    Ich habe aber nichts im Haus.
    Du kannst nicht kochen?
    Nein, kann ich nicht. Ich mag nicht, wenn mir Dinge an den Fingern kleben, und ich kleckse überall und lasse alles anbrennen.
    Ich könnte für dich kochen, wenn du willst. Ich koche sehr gern, auch für die alte Hexe. Ich habe auch gedacht, wenn ich keinen reichen Prinzen finde, könnte ich Köchin werden. Ich erwäge es ernsthaft. Denn mein imaginäres Land trägt derzeit keine Früchte. Also, was meinst du?
    Nein, sagte Viktor, es wäre nicht normal, dass du für mich kochen würdest.
    Wieso nicht normal?
    Klara wäre argwöhnisch und eifersüchtig, wenn du für mich kochtest.
    Kocht denn Klara gern?
    Nein, sie ist wie ich, sie geht lieber außer Haus essen. Ich teste hier für sie Restaurants, wohin ich sie dann einladen will.
    Ich kenne in Köln ein afrikanisches Restaurant. Sollen wir hin? Dann kannst du am Wochenende deine Klara dorthin führen.
    Sie saßen im Restaurant und tranken, sie Campari, er Whiskey, als ihm bewusst wurde, dass er den Termin bei Doktor Hettsche verschwitzt hatte. Er hatte sich dem Kollegen vorstellen wollen, einem Allgemeinarzt, der im gleichen Viertel seine Praxis hatte, ein für eine gute Zusammenarbeit wichtiger Besuch. Er verschluckte sich und wurde knallrot, Moira erschrak, und als sie den Grund erfuhr, sagte sie: Jetzt hast du wegen mir deine erste Freiheitssünde begangen. Dann erklärten sie einander, was für sie Freiheit war. Und was Sünde war. Viktor betrieb fleißig Haarspalterei und pickte gleichzeitig die Kichererbsen aus seinem Couscous heraus. Wenn Freiheit das höchste menschliche Gut sei, könne kein Teil von ihr eine Sünde sein, wollte er sich rechtfertigen, vielleicht auch Moira beeindrucken, sie aber erwiderte: Freiheit ist die Sünde an sich, sollen wir draußen eine rauchen? Ich rauche nicht, sagte Viktor. Kein Problem, ich bringe es dir bei, man soll mindestens eine Zigarette am Tag rauchen, als homöopathische Dosis gegen die Krankheit der Intoleranz, die jeden Menschen irgendwann befällt.
    Viktor rauchte nicht mit Moira. Als er aber draußen vor dem Restaurant in ihrem Rauch stand, inhalierte er eine Art Glück. Er dachte, nur am Anfang ihrer Liebe hatte er mit Klara solche Stunden verbracht, einen unseriösen, bindungsfreien Abend, frisch und flüchtig wie der April.

(Moira)
    I ch erinnere mich an jedes Wort unserer ersten Gespräche. Falls ich das Drehbuch schreibe, werde ich aber einiges manipulieren und verfälschen, denn ich sehe ihn schon, den Zuschauer, der mir schreibt: Liebe Moira, ich will Sie sicher nicht beleidigen, ich bin aber ein sehr nüchterner Mensch und halte die ganze Situation und den Dialog für romantisch-unrealistisch-sentimental verklärt. Die edle, zivilisatorisch unbeschädigte Wilde erweckt den gutmütigen Weißen. Mein Gott, Lady, wir leben nicht mehr im achtzehnten Jahrhundert, schreiben keine Aufklärungsliteratur mehr …
    Ich mache aus Moira einen Inuk und du, Viktor, träumst von einer Expedition mit Leo nach Grönland. Nee, die Inuit können auch als unverdorbene Wilde gelten (als wäre noch irgendein Mensch auf der Welt zivilisatorisch unbeschädigt, die Korowai vielleicht, aus dem undurchdringlichen Dschungel von Neuguinea, aber gerade, weil sie noch unerreicht sind, kann keine Korowai-Moira deine Praxis besuchen). Was mache ich denn da? Soll Moira eine Engländerin, eine Berlinerin, eine Bayerin sein? Sicher kann in jeder Gegend ein freches Plappermaul versuchen, einen Arzt zu betören, einen braven Viktor, der nichts anderes möchte, als aus seinen Ängsten und seinem braven Dasein auszubrechen, und es aber noch nicht erfahren hat. Und niemand wird mehr meckern. Aber warum soll ich nicht schwarz sein und so handeln wie eine freche Bayerin? Ich schreibe dem Zuschauer

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