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Der Gesang der Haut - Roman

Der Gesang der Haut - Roman

Titel: Der Gesang der Haut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Picus-Verlag
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Fischer?
    Welcher Fischer?
    Der Fischer, der Detektiv. Der Erpresser.
    Mach dir keine Sorgen, ich bring den Scheißkerl um, bevor irgendjemand etwas merkt. So, und jetzt muss ich doch aufstehen.
    Henrietta sah dem schweren Körper nach, der zum Bad schlurfte. Die zerknitterte Schlafanzugsjacke, die Hose, die Falten um den flach gewordenen Po warf, die nackten Füße, die er in Schlappen gesteckt hatte. Ich liebe dich, sagte sie ihm hinterher. Er drehte sich um und holte sein Geschlecht aus der Hose. Er bedankt sich, ächzte er, leider fehlt ihm jede Lustregung, Tschüss!
    Henrietta seufzte. Sie folgte ihm ins Bad. Er pinkelte ins Waschbecken. Wie willst du ihn umbringen?, fragte sie.
    Wen?
    Fischer, den Detektiv, den Erpresser. Den, der dich wegen Urkundenfälschung ins Gefängnis schicken kann.
    Ich ziehe ihm den Boden unter den Füßen weg, da bleibt ihm die Spucke weg. Er stolpert, er bricht sich den Hals.
    Gert, ich bin nicht zum Scherzen aufgelegt. Ich habe Kopfschmerzen.
    Du hast nie viel Humor gehabt, Frau. Nimm eine Tablette.
    Ich heiße Henrietta.
    Er ließ Wasser ins Waschbecken fließen und füllte dann die Badewanne.
    Du könntest auch heute Nachmittag baden, bevor du dich für die Feier anziehst.
    Ich möchte jetzt baden. Badest du mit mir?
    Um Gottes willen!
    Was machst du dann hier? Bist du meine Wärterin?
    So was, ja.
    Ach, arme Henrietta, hast du schon deine Medikamente genommen?
    Sie steckte den Fön ein und frisierte sich das Haar. Er saß auf dem Rand der Badewanne, während das Wasser die Badewanne allmählich füllte. Henriettas Haar wurde grau wie eine Gewitterwolke um ihren Kopf geblasen. Du solltest färben, sagte er, es würde dich um zehn Jahre jünger machen.
    Und warum sollte ich um zehn Jahre jünger aussehen?
    Weil »zehn Jahre weniger« schöner aussehen.
    Er stieg in die Badewanne, hob die Füße, spreizte die Zehen unter dem Wasserstrahl. Dein Popo ist ganz schön flach geworden, sagte sie und näherte sich mit dem Haartrockner. Gerlachs Gesichtsausdruck änderte sich, beunruhigt fragte er: Mach das Ding aus, bitte, wenn es ins Wasser fällt, bringst du mich zu früh um.
    Genau, sagte Henrietta und bückte sich übers Wasser, lachte böse, wie aufrichtig du aussiehst, wenn du dich fürchtest. Sie schaltete den Apparat aus. Du hältst mich wohl für zu allem fähig!
    Du warst überhaupt die fähigste Frau der Welt, sagte Gerlach. Du hast nachgelassen. Wäschst du mir den Rücken?
    Er hatte kleine Muttermale an der linken Schulter. Unter ihren Händen fühlte sich die Haut noch fest an. Als er sich aufrichtete, glitt sie mit einem Finger in die feuchten Falten seiner Schulterblätter, als wollte sie seine Flügel neu befestigen.

(Moira)
    D u hast die steile Mweka-Route hinter dir.
    Spätfrühlingsstimmung, neue Vögel kommen seit Wochen aus dem Land, wo du dich jetzt aufhältst. Sie tschilpen, trillern und gesellen sich zu den hiesigen. Die Mönchsgrasmücke ist schon im April hierhergeflogen. In den Gärten schmatzt sie ihre Dentallaute vor dem geschäftigen Rotkehlchen und anderen einheimischen Arten, alle verstehen sich gut, sprich, sie ignorieren sich, tun super beschäftigt, nach dem Motto leben und leben lassen. Die Sonne kommt ins Zimmer und bleibt lang, Staubkörner schweben in der Luft. Die Menschen pfeifen in der Badewanne. Oder sie laufen aneinander vorbei. Sie fragen sich, ob sie ihren Hunden einen Maulkorb anlegen sollen, bevor sie in den Wald gehen. Klaras Gedanken drehen sich um ihre Stimme. Der Taxifahrer hat eine Zigarette angezündet, sie erklärt, sie sei Sängerin und müsse heute Abend singen. Schön, sagt er, da wäre ich gern dabei, und raucht weiter. Sie öffnet das Fenster, die Luft pfeift an ihren Ohren, in ihrem Hals, sie macht das Fenster zu. Ihr Pianist erwartet sie im Hotel. Ich habe zehn Blocks voller Notizen und zwei Hundertzweiundzwanzig-Meter-Rollen Film. Ich kann mir mein Auge kaum noch vorstellen ohne das Verlängerungsobjekt Bolex. Henrietta dreht sich im Kreis. Ich drehe in sechzehn Millimeter. Die Kamera habe ich gebraucht gekauft. Die Bänder fürchterlich teuer. Und ich bin nicht sicher, dass es etwas Vernünftiges hergibt. Ich laufe den Geschehnissen nach. Ich bereite mich vor. Bald treffen wir uns bei Gerlachs.

26 (Fortsetzung)
    B eim Mittagslicht stand Henrietta immer noch im Schlafrock. Von Schatten zu Schatten, durch Kies und Gras lief sie jetzt eine Runde im Garten, roch an den Fliederblüten, die schon angefangen hatten zu welken, und

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