Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall
die am Fahrstuhl wartete.
Die Garibaldi drehte sich telefonierend zu ihm um. Ihr freundlich bemühter Gesichtsausdruck wechselte von einer Sekunde auf die andere.
»Francesco?!«
Der Angesprochene zeigte sich überrascht, blieb stehen und sah sie an.
»Isabella?«
Er breitete die Arme aus, wollte sie begrüßen.
Isabella Garibaldi drückte ohne ein weiteres Wort das Gespräch ab. Fixierte ihn. Dieser Francesco ging einen Schritt auf sie zu. Weiter kam er nicht. Die Garibaldi schlug energisch die Umarmung aus. Der Mann mit der Zeitung wurde aufmerksam.
»Was machst du hier?«
Ihre Frage klang scharf, vorwurfsvoll, von einem alten Schmerz geprägt.
Wider Erwarten gefror Francesco das Lächeln nicht.
»Immer noch die alte Isabella. Beleidigt und gekränkt. Kannst du niemals vergessen?«
»Sag mir, was du hier tust?«
»Ich habe den
Don Giovanni
übernommen.«
»Du?«
»Wer könnte das besser als ich?«
»Ich werde mit dem Intendanten reden. Ich glaube, er weiß gar nicht, was er sich mit dir eingehandelt hat.«
Der Zeitungsmann unterbrach. »Entschuldigung, wenn ich störe.« Dann zu Francesco: »Ich werde in der Redaktion erwartet. Wenn wir reden wollen, dann jetzt.«
»Keine Sorge«, erwiderte er, »Sie bekommen noch heute Ihre Story.« Zu Isabella Garibaldi gewandt:
»Lauf nicht weg. Ich möchte noch mit dir reden.«
Die Garibaldi wies ihn ab, betrat den Fahrstuhl. »Einen Teufel werde ich.«
»Isabella …«
Francesco nahm den Zeitungsmann am Arm, führte ihn zum Treppenaufgang. Die Tür neben Kilian wurde geöffnet. Heinlein und eine Frau kamen heraus. Er führte sie, sprach ihr aufmunternd zu. Sie schluchzte, den Kopf gesenkt, an Heinleins Brust gelehnt, wie sie es wohl die letzte halbe Stunde gemacht haben musste, so verheult, wie sie aussah. Erst jetzt erkannte Kilian sie. Es war die australische Sopranistin, Kayleen McGregor.
Als sie Francesco sah, brauste sie auf. »Der da … der konnte gar nicht schnell genug Freddies Job haben.« Sie schluchzte. »Er steckt mit dem Intendanten unter einer Decke. Die beiden haben ihn auf dem Gewissen.« Der Zeitungsmann registrierte die Anschuldigung, auch er wusste, dass Sandner erst tags zuvor unter bisher ungeklärten Umständen tot aufgefunden worden war.
Francesco überging sie. »Miss McGregor«, sagte er ruhig, »in fünfzehn Minuten will ich Sie auf der Bühne sehen. Ich wünsche uns allen, dass Sie dort genauso viel Pathos zeigen wie hier.«
Zornesröte schoss ihr ins Gesicht. Sie fand keine Worte. Raimondi verschwand mit seinem Begleiter im Treppenhaus.
Kilian kannte diesen Mann zwar nicht, doch allzu viele Freunde schien er nicht zu besitzen.
Kayleen befreite sich aus Heinleins fürsorglicher Umarmung. »Haben Sie ein Auge auf diesen Mann. Er bringt uns allen nur Unglück«, sagte sie.
Heinlein zückte seine Karte. »Wenn Sie Ihrer Aussage noch etwas hinzufügen möchten, dann rufen Sie mich bitte an.«
Kayleen nahm sie, nickte und ging. Ein paar Meter weiter verschwand sie hinter einer Tür in der Maske, wo die Schauspieler für ihren Auftritt zurechtgemacht wurden.
Heinlein schnaufte durch. »Sie hat ausgesagt, dass Sandner nie im Besitz einer Waffe gewesen sei. Wenn er eine gehabt hätte, dann sei sie ihm erst kürzlich zugeschoben worden oder … er sei ermordet worden.«
»Hat sie einen Verdacht ausgesprochen?«
»Der Intendant, die Regieassistentin … das halbe Ensemble hat sie aufgezählt. Alle hätten Sandner, seine Gutmütigkeit und Hilfsbereitschaft nur ausgenutzt.«
»Nichts Konkretes also. Was hast du jetzt vor?«
»Ich muss noch mit dem Intendanten reden. Wenn der auch nicht weiß, wie Sandner an die Waffe gekommen sein kann, dann werde ich einen vorläufig endgültigen Bericht an den Chef geben.«
»Und was steht drin?«
»Dass sich Sandner offenbar selbst erschossen hat. Pias Untersuchungsergebnis stützt die Annahme. Wir wissen zwar immer noch nicht, wie er an die Waffe gekommen ist, und der Einzige, der uns das hätte sagen können, ist tot.
Allerdings gibt es eine neue Spur, na ja, es ist mehr ein Hinweis als ’ne richtige Spur.«
»Lass hören«, forderte Kilian.
»Die Kriminaltechniker haben eine Duftspur an der Waffe gefunden.«
»Wie das?«
»Staubpartikel und Fasern haben sich in den Ritzen der Waffe versteckt. Daran kleben noch irgendwelche winzig kleine Moleküle, die nach Sandelholz, Moschus und Roggenvollkornbrot riechen.«
»Sandelholz und Moschus sind gebräuchliche Additive für Parfüme
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