Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall
…«
»Oder um selbst ein Parfüm herzustellen. Und Roggenvollkornbrot isst man. Man bekommt es in jeder Bäckerei in der Stadt.«
»Du hast Recht, damit können wir nicht allzu viel anfangen. Dennoch sollten wir darauf achten, ob jemand dieses Parfüm trägt …«
»Während er in sein Pausenbrot beißt?«
»So ungefähr.«
Kilian war nicht ganz wohl dabei. Etwas legte sich in ihm quer, wenngleich die neuen Indizien ein anderes Licht auf den mutmaßlichen Selbstmord Sandners warfen. Dennoch blieb zu beachten, dass Pia keinen einzigen Hinweis auf ein Fremdverschulden gefunden hatte. Dieses Ergebnis wog schwer. Letztlich könnte der Parfümmischer und Vollkornesser auch Sandner selbst sein. Dieser Hinweis konnte sie zu leicht in die falsche Richtung laufen lassen.
Ähnlich erging es Heinlein. Auch er musste sich an Fakten halten. Pias Selbstmordtheorie hatte weit mehr Gewicht als ein paar Spuren an der Waffe, die weiß Gott zu wem gehören könnten. Sie standen im eigentlichen Sinne nicht im Zentrum kriminologischen
Denkens und Entscheidens. Trotzdem sollte man den Hinweis im Gedächtnis behalten. Vielleicht lieferte der Kollege Zufall doch ein brauchbares Ergebnis.
Heinlein zog den Schlussstrich unter seine Gedanken.
»Willst du noch mit hoch zum Intendanten oder willst du lieber im Café warten? Es dauert bestimmt nicht mehr lange.«
Eigentlich wollte Kilian schon lange im Zug sitzen. Doch seine Neugier war geweckt. »Jetzt, wo ich schon mal da bin …«
Also begleitete er ihn in den zweiten Stock.
Sie fanden Reichenberg im Gespräch mit dem Russen Vladimir vor, der sich gebrochen, aber lautstark über seine Entlassung als
Don Giovanni
echauffierte.
Reichenberg bemühte sich nicht, ihn zu besänftigen, stattdessen wies er ihm eine andere Produktion zu, in der er sich beweisen konnte, sofern er seinen Text beherrschte. Der Russe erboste sich über die Ungeheuerlichkeiten im Umgang mit Künstlern an diesem Hause, schwor, dass er den Vorfall nicht auf sich beruhen lassen werde, und zog davon.
»Was kann ich für Sie tun, meine Herren?«, fragte Reichenberg missmutig.
»Es ist noch eine Sache unklar«, begann Heinlein, »eigentlich zwei. Zum einen, können Sie sich erklären, wie Herr Sandner zu der Waffe kam, mit der er sich erschossen hat?«
»Dann bleibt es also bei Selbstmord?«, erkundigte sich Reichenberg. Er zeigte nicht viel Interesse an der Todesursache eines Regisseurs seines Hauses, kramte in Unterlagen, die auf dem Tisch lagen. War das nun Kaltschnäuzigkeit, oder hatten sie es hier mit der Inszenierung eines Todesfalles zu tun?
»Gehen wir davon aus, dass sich Herr Sandner selbst das Leben genommen hat«, erwiderte Kilian. »Bleibt die Frage: Wo hatte er die Waffe her?«
»Ich bin und war nicht sein Kindermädchen. Der Mann war alt genug, sich eine Waffe zu beschaffen. Dazu brauchte er meine Hilfe nicht.«
Heinlein ging in die Vollen. »Den Grund dafür haben Sie ihm aber geliefert?«
Reichenberg schreckte hoch. »Ich denke, Sie gehen hier einen Schritt zu weit. Sollten Sie diese Anschuldigung nochmals wiederholen, bin ich gezwungen, meinen Rechtsbeistand einzuschalten. Ich habe mir nichts vorzuwerfen.«
»Wie würden Sie Ihr Gespräch mit Herrn Sandner kurz vor seinem Tod bezeichnen?«, hakte Kilian nach.
»Es war eine ganz normale Unterredung auf Managementebene. Zugegeben, der Anlass und der Ausgang waren weniger erfreulich. Aber ich lege Wert darauf, dass dies beide Seiten betraf. Meine, als Intendant des Hauses, der einen Premierentermin einzuhalten hat, und die von Herrn Sandner … Nun, es kommt nicht oft vor, dass ein Regisseur von sich aus ein Engagement löst, wenn er merkt, dass er das versprochene Ziel nicht einhalten kann.«
»In diesem Fall haben aber Sie sein Vertragsverhältnis aufgelöst«, sagte Heinlein. »Und mit Herrn Raimondi hätten Sie auch keinen besseren Ersatz finden können.«
Kilian legte nach, bevor Reichenberg antworten konnte. »So gesehen hat Ihnen eigentlich nichts Besseres passieren können.«
»Wie meinen Sie das?« Reichenberg ahnte, worauf Kilian hinauswollte.
Kilian wich aus. »Wie kam es eigentlich zu der überaus schnellen Einigung mit Herrn Raimondi? Wie haben Sie Kontakt aufgenommen?«
»Ein Glücksfall. Wir hatten uns die Finger nach einem Ersatz wund telefoniert, als plötzlich ein Fax mit seinem Namen und seiner Nummer eintraf.«
»Kam es von Herrn Raimondi?«
»Nein, das war ja das Verrückte. Es hatte keinen Faxkopf, von dem man
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