Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall
sich nicht von sich aus angepriesen?«
»Das habe ich nicht nötig. Ich verdiene gut, und Anerkennung habe ich in meinen Gesangsjahren zur Genüge bekommen.«
»Und es interessiert Sie auch nicht, wer Sie so uneigennützig vorgeschlagen hat?«
»Nein.«
»Apropos verdienen«, fragte Kilian, »was bekommen Sie denn für Ihr Engagement?«
»Das werde ich Ihnen nicht auf die Nase binden.«
»Nur so ungefähr, damit wir eine Vorstellung von Ihrem Marktwert bekommen.«
»Er bewegt sich im mittleren fünfstelligen Bereich.«
»Was muss man sich darunter vorstellen?«
»Fragen Sie die Oberbürgermeisterin oder den Intendanten, wenn die meinen, auf diese Frage antworten zu müssen. Von mir erfahren Sie nichts. Das steht auch in meinem Vertrag: Verschwiegenheit.«
»Es sind öffentliche Gelder«, protestierte Heinlein.
»Was soll die Geheimniskrämerei?«
»Sie verstehen nicht, meine Herren. Es geht nicht so sehr darum, ob mein Engagement für die zwei Wochen nun zehntausend oder sechzigtausend Euro kostet. Entscheidend ist, welche Summe auch immer in der momentanen politischen Lage genehm ist oder nicht.«
»Da können Sie darauf wetten, dass selbst hundert Euro zu viel sind«, bestätigte Heinlein.
»Sehen Sie, und genau darum geht es hier. Deswegen erfahren Sie von mir auch nicht mehr als das, was ich Ihnen bereits gesagt habe.«
»Eine letzte Frage.« Und damit wollte Kilian die Unterredung beenden. »Wann sind Sie in Würzburg angekommen?«
»Gestern Abend. Wieso fragen Sie?«
»Nur so. Haben Sie noch jemanden getroffen?«
»Sicher, die Zeit, die mir zur Verfügung steht, ist knapp.«
»Darf ich fragen, um wen es sich dabei handelt?«
»Nein.«
»Sie zeigen sich nicht sonderlich kooperativ. Haben Sie etwas zu verbergen?«
»Nicht dass ich wüsste. Ich beantworte alle Fragen, die im Zusammenhang mit diesem Unfall stehen, gerne. Was jedoch meine Inszenierung angeht, müssen Sie sich bis zur Premiere gedulden.«
»Und wenn die Hintergründe der Tat in Zusammenhang mit der Inszenierung des
Don Giovanni
stehen?«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Halten Sie es nicht für seltsam, dass innerhalb zweier Tage zwei Gewalttaten zwei unterschiedlichen Regisseuren dieses Stücks widerfahren?«
»Ich bin bisher von einem Unfall ausgegangen. Wie kommen Sie darauf, dass es jemand auf mich abgesehen hat?«
»Ein Unfall ist bei Herrn Sandner auszuschließen. Ähnlich verhält es sich in Ihrem Fall. Es ist nicht nachvollziehbar, wie die Pflanze mit dem Topf versehentlich über den Handlauf gefallen ist.«
»Bleibt noch die Frage, ob ich oder der Journalist gemeint war. Glauben Sie mir, jede schlechte Kritik liefert zumindest ein Motiv für einen Mord. Meiner Vermutung nach haben Sie dann rund einhundert Tatverdächtige allein in diesem Haus.«
»Hat er jemals schlecht über Sie geschrieben?«
»Ich lese keine Kritiken.«
»Kommen Sie, so abgehoben können Sie doch nicht sein.«
»Ich bin Francesco Raimondi. Die Kritik eines dieser Schmutzfinken kann mir nichts mehr anhaben. Im Gegenteil, je mehr sie über einen schreiben, ob gut oder schlecht, desto besser ist es für die Produktion.«
»Der Aufmerksamkeit der Frankfurter Allgemeinen können Sie sich von nun an gewiss sein.«
Raimondi konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. War er so abgefeimt, oder hatte er doch mehr mit der Sache zu tun? Zudem kam er Kilian und Heinlein seltsam reserviert vor. Er zeigte nicht den Anflug von Trauer oder Mitgefühl, egal, ob der Anschlag nun ihm oder dem Zeitungsmann gegolten hatte. Sie trauten diesem Herrn nicht. Irgendetwas verschwieg er.
»Ich nehme an, dass Sie die nächsten Tage hier im Theater für uns erreichbar sind«, sagte Heinlein. Raimondi nickte.
Kilian fiel die Szene mit Isabella Garibaldi ein. »In welcher Beziehung stehen Sie zu Frau Garibaldi?«
Raimondi merkte auf. Wieder lächelte er.
»Das ist eine Geschichte aus längst vergangenen Tagen. Nicht der Rede wert.«
»Da hatte ich einen anderen Eindruck. Und wie ich es beurteile, Frau Garibaldi auch.«
»Sie meinen wegen der Begrüßung vorhin?« Kilian nickte.
»Das ist nun sehr privat und hat mit der Inszenierung des
Don Giovanni
gar nichts zu tun.« Raimondi stand auf. »Sie entschuldigen mich jetzt bitte. Ich habe zu tun.«
»Eine allerletzte Frage noch.«
Raimondi war der Fragerei überdrüssig. »Bitte schnell, ich habe zu tun.«
»Wieso haben Sie den
Don Giovanni
, ich meine diesen Vladimir, entlassen?«
Raimondi stutzte über diese
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