Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall
Tasche packen und gen Süden abreisen. »Das habe ich dir alles schon erzählt.«
»Ach ja? Und was war das gestern, als wir mit Raimondi sprachen? Diese Beziehung zwischen ihm und dieser …«
»Garibaldi. Isabella Garibaldi. Was ist damit?«
»Das will ich ja von dir hören.«
»Sie kennen sich offensichtlich von früher. Als sie sich gestern auf dem Gang trafen, habe ich mitbekommen, dass es wohl keine angenehme Erinnerung ist. Sie hat ihm bei der Umarmung die Hände weggeschlagen.«
»Und du hältst es nicht für nötig, mir das mitzuteilen, wenn kurz darauf ein Attentat auf Raimondi verübt wird?«
»Wie kommst du darauf, dass es Raimondi und nicht dem Journalisten gegolten hat?«
Richtig, diese Frage war noch nicht geklärt. Heinlein antwortete nicht. Kilian ließ es vorerst auch auf sich beruhen, wenngleich ihm Heinleins Ton überhaupt nicht gefiel.
Heinlein legte wortlos den endgültigen Obduktionsbericht Pias auf den Tisch. Der Bericht offenbarte nichts Neues. Einund Austrittswinkel des Projektils an Sandners Kopf verhielten sich unauffällig in Bezug auf die angenommene Selbsttötung. Die Schmauchspuren an seiner Hand stammten eindeutig von der Treibladung der benutzten Patrone. Ungeklärt blieb, wie Sandner an die Waffe gekommen war. Niemand wollte oder konnte eine Beziehung herstellen, geschweige denn erklären, dass Sandner Kontakt mit der Szene aufgenommen hatte, wo er sie unter Umständen hätte herbekommen können. Dennoch schien sie eben genau dort beschafft worden zu sein. Die Seriennummer war unkenntlich gemacht worden. Ein Indiz dafür, dass die Waffe eine Historie besaß. Auch die Röntgendiagnostik hatte die letzten drei Ziffern nicht kenntlich machen können.
Heinlein hatte die Waffe daher bei den Kriminaltechnikern nochmals abfeuern und das Projektil samt Hülse ans BKA schicken lassen. Wenn sie Glück hatten, waren die Spuren, die der Lauf am Projektil und der Hahn an der Hülse hinterlassen hatten, im zentralen Computer gespeichert. Doch das konnte dauern.
»Hast du die Scherben des Topfes auf Fingerabdrücke untersuchen lassen?«, fragte Kilian.
»Die einzigen brauchbaren Spuren stammen von diesem Ballettdirektor. Natürlich waren seine Abdrücke drauf. Wenn er dich wegen seines Alibis nicht belogen hat, dann schaut’s düster aus. Kein Zeuge weit und breit, geschweige denn ein konkreter Tatverdächtiger. Die Endres und die McGregor bezichtigen sich gegenseitig der möglichen Täterschaft. Das kann was bedeuten, kann aber auch die natürliche Rivalität unter Frauen sein.«
»Wer bleibt dann noch übrig?«
Heinlein schaute auf seinen Notizzettel. Dort standen noch zwei Namen. Sue Ryser, die Pianistin, und Vladimir Sinowjew, der russische
Don Giovanni
.
»Ich werde mir diese Klavierspielerin noch vorknöpfen und dann den ehemaligen
Don Giovanni
, diesen Vladimir«, antwortete Heinlein. »Du übernimmst die Befragung der Schüler des Ballettdirektors, mit denen er zur betreffenden Zeit gemeinsam Pause gemacht haben will.«
Kilian nickte. Er war nun eindeutig Weisungsempfänger seines Vorgesetzten geworden. Er konnte nicht sagen, ob ihm das gefiel. »Ich glaube nicht, dass der Mörder von außen kommt. Es gibt dafür überhaupt keinen Anhaltspunkt. Stattdessen scheint sich unser Freund Raimondi in der kurzen Zeit, in der er hier ist, nicht gerade beliebt gemacht zu haben.«
»Wer fällt dir dazu ein?«
»Zuallererst diese australische Diva, Kayleen McGregor. Sie macht Raimondi und den Intendanten für Sandners Tod verantwortlich.«
»Genügt das, um einen Mord zu begehen?«
»Wer weiß schon, was Frauen alles anstellen, wenn sie gekränkt werden.«
»Auf mich hat sie eher einen verstörten Eindruck gemacht als einen rachsüchtigen. Wer ist noch auffällig?«
Heinlein verschwieg die Information, die er von Marianne Endres über die Pistolenschützin Kayleen bekommen hatte.
»Na ja, dieser Russe, Vladimir, von dem du gesprochen hast. Er ist von unserem Freund bereits nach der ersten Probe gefeuert worden. Und wie wir gesehen haben, war er damit in keinster Weise einverstanden. Er schwor in unserem Beisein, die Sache nicht auf sich beruhen zu lassen.«
»Bei seiner ersten Aussage gab er an, dass er zur Tatzeit auf seinem Zimmer war und mit seinem Agenten telefoniert hätte.«
»Bleibt noch eine Person …« Kilian erinnerte ihn an die Szene, die er tags zuvor auf den Gang im Theater verfolgt hatte. »Isabella Garibaldi, Intendantin eines Zürcher Theaters, hat Raimondi
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