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Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall

Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall

Titel: Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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denn, wenn einen Tag vor der Premiere Ihr Hauptdarsteller flüchtet? Sie ging den Bach runter, die Premiere fiel aus. Zum Folgetermin besetzte ich seinen Part mit einem Ersatzmann … aber er konnte nicht halten, was wir uns von Raimondi versprochen hatten. Es sollte die Geburt eines neuen Stars werden.«
    »Und Sie verloren Ihr Engagement?«
    Sie zog an der Zigarette, als wolle sie ihr alles Leben nehmen. »Mit der zweiten Premiere war es ohnehin gelaufen. Schlimmer war, dass wir Werbegelder in den Sand gesetzt, Sponsoren und Publikum enttäuscht hatten. Raimondi ließ dann von London aus verlauten, dass er mit meiner Regie nicht zufrieden gewesen sei und er im Hinblick auf eine originalgetreue Inszenierung des
Don Giovanni
für meine Arbeit nicht verantwortlich gemacht werden wollte. Tja, und den Rest können Sie sich ja denken.«
    »Wurde Raimondi haftbar gemacht?«, hakte Kilian nach.
    »Er war schon damals ein Fuchs. Er managte sich selbst, hatte einen Vertrag mit einer Ausschlussklausel ausgehandelt, sollten ernsthafte Differenzen bei der Produktion auftreten. Nach seinem Erfolg im Covent Garden wagte dann auch niemand mehr Kritik an seiner Person und seinem Verhalten zu üben. Mit diesem Engagement begann seine Karriere, jedes Haus buhlte um ihn.«
    »Was passierte mit Ihnen?«
    Sie lächelte gezwungen, mit der Erfahrung einer Betrogenen. »Zwei Jahre lang suchte ich ein neues Engagement. Erfolglos. Dann bot sich mir eine neue Chance. Ein befreundeter Impresario hatte Mitleid und nahm mich unter seine Fittiche. Ich lernte, Künstler zu managen. Vor fünf Jahren verstarb er, und ich ging zurück ans Theater.«
    »Dann hatte die Affäre doch noch ein gutes Ende gefunden.«
    »Ich bin nicht unglücklich mit dem, was ich heute tue. Doch der
Stachel
sitzt tief.«
    »Wie tief?«
    Sie sah Kilian in die Augen, suchte den Hintergrund seiner Frage zu ergründen. Sie fand ihn. »Wenn Sie glauben, dass ich deswegen einen Mord begehen würde, irren Sie sich. Das ist er nicht wert.«
    »Dennoch, darf ich Sie fragen, wo Sie gestern zum Zeitpunkt des Anschlages auf Herrn Raimondi waren?«
    Sie antwortete spontan, ein Zeichen dafür, dass sie entweder ehrlich oder auf die Frage vorbereitet war.
    »Ich war mit Herrn Batricio im Gespräch.«
    »Wo führten Sie es?«
    »In einem Zimmer im zweiten Stock.«
    »Wie groß ist die Entfernung von der Tür zum Treppenhaus?«
    Sie dachte nach, versuchte sich der Lokalität zu erinnern.
    »Ich glaube, es liegt gegenüber.«
    »Waren Sie die gesamte Zeit mit Herrn Batricio im Gespräch?«
    Sie überlegte. »Nahezu. Er verließ einmal kurz das Zimmer, um mit Frau Gudjerez zu sprechen.«
    »Worum ging es?«
    »Das sagte ich Ihnen bereits bei unserem ersten Treffen. Es geht um Vertragsverhandlungen.«
    »Haben Sie sich mit Herrn Batricio geeinigt?«
    »Per Handschlag, ja.«
    »Kennt Frau Gudjerez dieses Ergebnis?«
    »Sicher, sie musste ja zuvor zustimmen.«
    »Dann singt sie also im nächsten Jahr in Zürich?«
    »Davon gehe ich aus.«
    »Was ließ Sie dann vorhin beim Duett zwischen ihr und Raimondi den Saal verlassen?«
    Ihre Zigarette ging zu Boden, ihre Pumps übernahmen den Rest. »Trauen Sie ihm nicht«, riet sie ihm. Für sie war die Unterhaltung damit beendet. Bevor sie sich zum noch immer wartenden Batricio aufmachte, sagte sie: »Apropos Anschlag, recherchieren Sie doch mal, was sich Mitte der Neunziger, ich glaube, ’94 oder ’95 war es, in der Semperoper in Dresden abgespielt hat. Ein Vorfall während der Probenarbeiten zu Figaros Hochzeit. Ich bin sicher, dass Sie das sehr interessieren wird.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Sie werden schon sehen«, sagte sie und gesellte sich zu Batricio.
    Kilian fragte sich, was sie damit bezwecken wollte. Er notierte sich die Daten und wollte den Großen Saal wieder betreten, als Heinlein die Treppe hochkam.
    »Hast du die McGregor gesehen?«, fragte Heinlein.
    »Sie soll sich irgendwo im Haus rumtreiben.«
    Kilian zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, bei den Proben ist sie jedenfalls nicht. Was willst du von ihr?«
    Heinlein vermied Blickkontakt. Er tat ganz beiläufig.
    »Es steht noch ’ne Frage offen. Nichts Dramatisches.«
    »Na, dann«, sagte Kilian. »Du findest mich im Großen Saal bei den Proben, wenn du mich brauchst.«
    »Alles klar.«
    Seltsam, wie Heinlein sich verhielt, überlegte Kilian. Verbarg er etwas vor ihm?
    Er nahm den Gedanken mit in den Großen Saal. Leise und ohne Aufsehen zu erregen, suchte er einen Platz im

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