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Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall

Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall

Titel: Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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leichtfüßig erklomm sie die Höhen ihres Parts, so wie sie ihre bevorstehende Hochzeit mit ihrem geliebten Masetto überzeugend mimte. Nicht nur Kilian, der zur Oper bisher keinen Zugang gehabt hatte, horchte auf. Die tanzenden Chormitglieder, Dirigent, Chorleiter und alle im Graben schauten auf die Zerlina. Kilian erkannte Raimondi, wie er auf die Bühne stieg, sich neben die Zerlina stellte, ihre Atmung und ihren Ausdruck prüfte, dem Chor und Masetto mit einem Blick den Einsatz wies. Er war hochkonzentriert und gab nicht preis, wie er das Spiel und den Gesang des Paares fand. Er unterbrach nicht, ließ die Szene zu Ende laufen.
    Als der letzte Ton des Klaviers verklungen war, kehrte Stille ein. Alle warteten auf Raimondis Reaktion.
    »Das war schon sehr gut, meine Herrschaften«, sagte er nüchtern, ohne zu viel Lob auf die Darbietung zu verschwenden.
    »Bravo«, hörte Kilian leise hinter sich die Garibaldi zu ihrem Begleiter sagen.
    Er drehte sich um, sah, wie sie per Handschlag den Vertrag besiegelten. Er erhob sich und setzte sich direkt neben sie.
    »Entschuldigung«, sprach Kilian zu den beiden, »ich möchte Sie nicht stören«, dann, zur Garibaldi gewandt, »ich hätte Sie gerne kurz gesprochen.«
    Sie stimmte zu, bat ihn, noch einen Moment zu warten. Kilian akzeptierte und richtete seine Aufmerksamkeit nach vorn, auf die Bühne.
    Raimondi war im Gespräch mit dem Dirigenten und dem Chorleiter. Sie gestikulierten, blickten auf die Chormitglieder, besprachen mehrere Möglichkeiten.
    »Gestern hat er den
Don Giovanni
gefeuert«, hörte Kilian Garibaldis Begleiter nicht ohne Schadenfreude flüstern, »und jetzt steht er da ohne seinen Hauptakteur.«
    »Das sieht ihm ähnlich«, antwortete die Garibaldi.
    In ihren Worten schwang eine schmerzhafte Erfahrung mit. Sie blickte nach vorn, wie ihr Begleiter auch, und wartete, wie Raimondi das Fehlen eines
Don Giovanni
auflösen würde.
    Man einigte sich auf einen jungen Mann aus dem Chor. Er war um die dreißig Jahre alt und nach Kilians Dafürhalten Japaner. Raimondi bat ihn hervorzutreten und sprach mit ihm. Der Japaner nickte, verbeugte sich leicht, als wäre ihm eine große Ehre zuteil geworden.
    »Ich glaub’s nicht«, sagte der Mann neben der Garibaldi.
    »Eine Zweitbesetzung für den
Don Giovanni
ist erst für die nächste Spielzeit eingeplant, und jetzt nimmt er sich einfach ’nen Ersatz aus dem Chor. Ich kenne den jungen Mann. Er ist für den Chor überqualifiziert, und er beherrscht den Part des
Don Giovanni
. Eine tolle Stimme. Den muss ich mir sichern, bevor du ihn mir wieder vor der Nase wegschnappst.«
    »Wenn er so gut ist, wieso hat er dann kein Engagement und versauert im Chor?«, fragte die Garibaldi.
    »Na, wieso wohl? Die Stadt muss sparen. Ich befürchte nur, seine Exkollegen aus dem Chor werden ihn dafür lynchen und Raimondi hassen.«
    Den Ton in seiner Stimme mit Schadenfreude zu bezeichnen erschien Kilian weit untertrieben.
    Die Garibaldi entgegnete nichts darauf, wartete ab, welche Folgen das Abenteuer haben würde. Kilian entging ihre unausgesprochene, stille Befürchtung nicht, dass der Japaner durchaus Erfolg haben könnte. Raimondi wies Sue an, das Duett
Là ci darem la mano
6 zu spielen. Es war die Verführungsnummer des
Don Giovanni
schlechthin.
    Den Japaner postierte er der Zerlina gegenüber, sprach ihm Mut zu und gab das Zeichen.
    Ein Bariton erklang, kräftig und raumfüllend. Kaum zu glauben, dass aus so schmaler Brust ein solch fulminanter Klang erwachsen konnte. Schüchtern, aber konzentriert mühte sich der Asiate. Er sang überraschend gut, doch schauspielerisch war er eine Salzsäule. Raimondi griff ein.
    »Umgarnen Sie die Zerlina«, sagte er aufmunternd.
    »Sie werden Sie dort drüben in Ihrem Landhaus gleich verführen. Sie sträubt sich noch, Sie sind auf ihrer Hochzeit. Also legen Sie sich etwas mehr ins Zeug.«
    Der Japaner verstand nicht. Er suchte Hilfe bei seinem Chorleiter. Raimondi nahm ihn zur Seite, begab sich auf dessen Position. Sein Blick ging zu Sue.
    »Nochmal bitte«, gab er vor.
    Das Ensemble zeigte sich überrascht, ebenso wie die beiden an Kilians Seite.
    »Er will selbst singen«, sagte der Mann.
    »Ich hab’s befürchtet«, antwortete die Garibaldi.
    Là ci darem la mano
erklang, nun aus der Brust Raimondis. Er umarmte die Zerlina von hinten, legte seine Hand auf die ihre, liebkoste sie mit seiner Stimme und streichelte sanft ihren Hals. Zerlina stimmte mit ein, spielte das Spiel einer

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