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Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall

Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall

Titel: Der Gesang der Hölle: Kommissar Kilians vierter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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wenn die Pilger in die Semmelstraße zurückkehrten und von Hunderten am Straßenrand und an den Bierbänken willkommen geheißen wurden.
    Im Seiteneingang einer Metzgerei klingelte Kilian. Eine ältere weibliche Stimme antwortete.
    Kilian sagte, wer er sei und wen er zu sprechen wünschte. Nach einer weiteren Rückfrage surrte der Türöffner. Was war nur in dieser Stadt los, dass man Polizeibeamten gegenüber so misstrauisch war, fragte er sich auf dem Weg durch den Toreingang, der auf einen kleinen Hof mündete. Von hier aus gingen mehrere Treppen zu den Wohnungen. Der Hof war frisch renoviert, es roch nach Farbe und Handwerkern. An den Wänden schlängelten sich Farne hinauf zu Terrakotta-Vasen, die zur Hälfte in den Putz eingemauert waren. Weitere Pflanzen standen in Töpfen am Boden herum, sodass man sich des Eindrucks nicht erwehren konnte, dass hier eine Toskana-Liebhaberin wohnte. Oben, auf einem der Balkone, die rings um den Hof verliefen, huschte eine Hand am Vorhang zurück. Kilian wurde beobachtet.
    Das Surren eines Türöffners wies ihm den Weg. Er nahm eine Treppe und drückte die Tür auf. Empfangen wurde er von einer Dame, er schätzte sie auf Ende siebzig, völlig in Schwarz gekleidet, die grauen Haare zu einem Dutt zusammengefasst und den Blick prüfend auf ihn gerichtet. Er schien ihr nicht ganz geheuer.
    »Wenn Sie Polizist sind, dann können Sie sich ja ausweisen«, sagte sie barsch.
    Kilian war ohne jegliche Legitimation; daran hatte er nicht gedacht.
    Aus der Tiefe des Gangs kam Hilfe.
    »Schon gut«, sprach eine Männerstimme, »ich kenne den Mann.«
    Die Oma ging nur zögerlich zurück in ihr Zimmer. Der Mann kam auf Kilian zu. Er reichte ihm die Hand. »Ich habe Sie schon erwartet. Kommen Sie.« Kilian stutzte. Noch bevor er ihn fragen konnte, wie er darauf kam, drehte er sich um, und Kilian folgte ihm den Gang entlang, eine enge, verwinkelte Treppe nach oben, die wie ein Turmaufstieg anmutete, bis sie über einen weiteren Gang sein Zimmer erreichten. Auf dem Weg nach oben stieg Kilian ein prägnanter Geruch in die Nase. Irgendetwas Pseudofrisches, so wie die Duftbäume in Autos.
    Kilian wusste nicht, was er sich unter der Behausung eines Künstlers vorgestellt hatte, sicherlich nicht das, was er zu sehen bekam. Der Raum maß keine zwanzig Quadratmeter, durch eine kleine Dachluke fiel wenig Licht herein, und ein schmales Bett füllte dieses Heim bereits zur Hälfte aus. Die andere Hälfte nahmen ein Schrank und ein kleines Regal ein. Nirgends die Spur einer Toilette oder Dusche. Die mussten irgendwo im Labyrinth dieser alten verschachtelten, fränkischen Behausung versteckt sein.
    Wie Kilian es schon in den Büros des toten Sandner und des Ballettdirektors gesehen hatte, zeugten Bilder und Preise an der Wand von glorreichen Zeiten. In diesem Fall die eines Tenors in den bunt-barocken Gewändern der italienischen Oper.
    »Bitte setzen Sie sich.«
    Er räumte Kilian einen Stuhl frei, auf dem die Klamotten des gestrigen Tages lagen. Er selbst setzte sich aufs Bett. Ihre Knie stießen nahezu aneinander, so eng war es in dieser Zelle.
    »Sie sind Steven Vanderbuilt?«, begann Kilian. Er nickte.
    »Da Sie wissen, wer ich bin, erspare ich mir eine weitere Vorstellung«, sagte Kilian und dachte an den fehlenden Polizeiausweis. Wenn er es sich recht bedachte, musste Vanderbuilt gar nicht auf seine Fragen antworten, da er sich nicht ausreichend ausweisen konnte.
    Im Gegensatz zur Vermieterin schlug Kilian Aufgeschlossenheit statt Misstrauen entgegen. Das war ein guter Beginn. »Sie sagten, dass Sie mich bereits erwartet hätten.«
    »Dazu gehört keine große Kombinationsgabe«, antwortete Vanderbuilt lakonisch.
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Nach dem, was im Treppenhaus passiert ist, bin ich doch der Erste im Kreis der Verdächtigen.«
    »Dann gehen Sie davon aus, dass es kein Unfall war?«
    »Sie etwa?«
    »Die Möglichkeit besteht. Wenngleich sie gering ist.«
    »Sie verdächtigen mich aber. Sonst wären Sie nicht hier.«
    »Es ist eher eine Befragung als das Verhör eines Verdächtigen.«
    »Lassen wir die Wortklauberei. Was wollen Sie wissen?«
    »Zuerst, welche Verbindung haben Sie zu Francesco Raimondi?«
    »Die, von der Sie bereits wissen. Nichts weiter.«
    »Dann erzählen Sie mir von dem Vorfall 1994 an der Semperoper aus Ihrer Sicht.«
    Vanderbuilt machte ein angestrengtes Gesicht, als müsste er diese Geschichte schon zum tausendsten Mal erzählen.
    »Es begann alles damit, dass wir,

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