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Der Gesang der Maori

Der Gesang der Maori

Titel: Der Gesang der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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und hob beschwichtigend die
Hände. »Ich …« Er brach ab. Es gab keine Entschuldigung für das, was er getan
hatte. Wie sollte er Jason Turner erklären, dass er die Nerven verloren hatte.
Statt sich zu verteidigen, murmelte er nur: »Tut mir leid. Das habe ich so
nicht geplant.« Er merkte selbst, dass das alles andere als überzeugend klang.
    Â»Und was hast du geplant?« Jason schrie immer noch.
    Langsam griff John in seine Hosentasche und förderte den Zettel, auf
dem er alle entscheidenden Fakten zusammengetragen hatte, ans Licht. Er reichte
Jason das verknitterte Ding. »Das wollte ich alles fragen und sagen, ich wollte
wirklich den bestmöglichen Deal für dich herausschlagen. Aber dann habe ich die
Nerven verloren. Ein völliges Blackout, ich bin einfach weggelaufen.« Er
zögerte, bevor er die nächste Frage stellte. »Kannst du mir verzeihen?«
    Mit dieser Frage brachte er Jason endgültig zum Toben. »Bist du des
Wahnsinns fette Beute? Ich soll dir noch eine Chance geben, damit du mich womöglich
noch einmal bis auf die Knochen blamierst? Vergiss es! Ich möchte, dass du
diesen Raum verlässt und ihn nie wieder betrittst. Ich habe dich sogar zu mir
nach Hause eingeladen – und du dankst es mir mit deinem Verschwinden bei einem
wichtigen Treffen. Nein, ich werde dieses Risiko kein zweites Mal eingehen. Ich
will dich nicht mehr sehen, und ich werde jeden, der darüber nachdenkt, ob er
dich anstellen will, wissen lassen, aus welchem Holz du wirklich geschnitzt
bist. Verschwinde!«
    Â»Aber …« Hilflos sah John den Mann an, den er für seinen Freund
gehalten hatte. Abende und halbe Nächte hatten sie gemeinsam in diesem Büro verbracht,
hatten neue Ideen ausgeheckt und Verordnungen gewälzt. Das sollte jetzt vorbei
sein?
    Â»Wie deutlich muss ich noch werden?«, schnaubte Jason. »Langt dir
ein einfaches ›Verschwinde‹ nicht?«
    Langsam wandte John sich zum Gehen. »Doch, doch«, murmelte er. »Bin
schon weg, keine Sorge.«
    Und damit drehte er sich um, ging die wenigen Schritte nach draußen
und zog die Tür zu dem kleinen Bürohäuschen hinter sich zu. Einen Moment lang
blieb er stehen und atmete tief die salzige Luft.
    Er war mal wieder allein. Zeit für einen neuen Anfang.
    Schon wieder.

KAIKOURA, 1998

    15.
    Â»Du wirst es lieben!«,
erklärte Matiu. »Ich kenne niemanden, der es nicht großartig findet!«
    Katharina sah skeptisch das
Schlauchboot an, das, am Landungssteg festgeknüpft, träge in der Sonne
schaukelte. Ein Platz für den Steuermann, acht Sitze – und am hinteren Ende
zwei riesige Motoren. »Du bist dir sicher, dass du damit umgehen kannst?«
    Â»Natürlich. Damit habe ich mir früher Geld in den Schulferien
verdient! Mein Vater hat mir alles über diese Boote beigebracht, was man wissen
muss. Du musst dich nur gut festhalten!«
    Vorsichtig stieg Katharina über die kleine Leiter in das Boot, das
ihr jetzt erstaunlich wackelig vorkam. »Wo sind denn die anderen Gäste dieser
Tour?«, fragte sie vorsichtig nach. Matiu machte eine wegwerfende Handbewegung
und deutete auf ein kleines Schiff mit hohem Aufbau, das in diesem Moment
hinaus in die weite Bucht Kaikouras fuhr. »Die anderen Gäste sind alle auf
diesem Ding – aber ich verspreche dir: In unserem Boot ist es noch ein echtes
Abenteuer, einen Wal zu beobachten. Wenn du willst, kannst du ihn sogar
berühren! Bei dem anderen Schiff ist alles so weit weg, dass man vergisst, wie
riesig so ein Tier ist …«
    Bedächtig schlüpfte Katharina in die Rettungsweste – ein steifes
Ding in einer verblichenen Farbe, die vor einer ordentlichen Anzahl von Jahren
wohl einmal Orange gewesen war. Mühsam schloss sie die Schnallen – die Gurte
waren steif vom jahrelangen Kontakt mit dem Salzwasser. Dann setzte sie sich
neben Matiu. Er grinste ein letztes Mal beruhigend und gab ihr noch den Tipp:
»Halt dich fest, wenn wir schneller werden!« Damit tuckerte das Schlauchboot
hinter dem großen Schiff her, hinaus in die Bucht.
    Katharina sah sich neugierig um. Die Berge standen hoch hinter dem
kleinen Städtchen Kaikoura, ein Teil von ihnen hatte sogar noch Reste von
Schnee auf den höchsten Gipfeln. Das Städtchen lag lang hingestreckt auf dem
schmalen Landstreifen, der zwischen Meer und See lag. Eine große, sanft
geschwungene Bucht – alles wirkte

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