Der Gesang der Maori
den Schatten unter ihnen und hob die Hand. »Pass
jetzt auf, der taucht gleich ab â¦Â«
Mit einem Mal stellte sich der Wal senkrecht und verschwand wie ein
riesiges Geschoss in der Tiefe. Einige endlos scheinende Momente lang schwebte
die riesige Fluke über ihren Köpfen â dann verschwand sie fast geräuschlos im
Meer. Eine ovale, völlig glatte Stelle kennzeichnete den Ort, an dem der Wal in
die Tiefe des Pazifiks abgetaucht war. »Das nennen wir den FuÃabdruck«,
erklärte Matiu und deutete auf diese Stelle. »Jetzt wird er bis zu einer Stunde
unten bleiben und fressen â wir sollten uns einen anderen Wal suchen.«
Wieder heulten die Motoren auf, wieder schossen sie umher, und
erneut blieben sie urplötzlich fast stehen â diesmal für zwei noch jüngere
Wale. Matiu gab kurz über Funk Bescheid, und dieses Mal kam auch das groÃe
Whale-Watching-Boot herbeigeeilt, um die riesigen Meeressäuger zu sehen. Matiu
winkte dem Skipper zu.
»Woher kennst du diese Leute?«, fragte Katharina nach.
Aber Matiu winkte nur ab. »Wie ich schon gesagt habe: Ich komme aus
Kaikoura, hier im Ort kennt jeder jeden. Da hilft man sich auch ⦠AuÃerdem ist
das hier das alte Boot der Whale Watch Kaikoura. Ich muss mich ja irgendwie
bedanken dafür, dass ich es mir nehmen durfte. Und wie ich schon gesagt habe:
Früher habe ich mein Geld mit diesen Walbeobachtungs-Trips verdient.«
Katharina nickte nur. Fasziniert beobachtete sie jetzt eine ganze
Schule kleiner Delfine, die sich ihnen näherte. Sie schossen mit ihren silbern
glänzenden Körpern aus dem Wasser, drehten Schrauben und Salti, als ob sie in
einem Zirkus dafür bezahlt würden. »Das sind Spinnerdelfine«, erklärte Matiu.
»Wir nennen sie auch die Clowns der Meere. Sie haben so viel Spaà an ihren
Kunststücken â¦Â«
Die Stunden verflogen nur so. Katharina spürte ihre Enttäuschung,
als Matiu das Boot endlich wieder in Richtung Land lenkte. »Schade, das hätte
ich mir noch stundenlang ansehen können â¦Â«, meinte sie.
»Warte nur«, grinste Matiu. »Ein Highlight habe ich noch für dich.«
Diesmal hielt er direkt auf die Robbenkolonie auf der vorgelagerten Halbinsel
zu. Unweit der gelblichen, aus dem Wasser aufragenden Felsen stellte er wieder
den Motor ab. Er griff in eine Kiste unter einem der Sitze und zog etwas
Weiches, Schwarzes hervor, das er Katharina mit einer schnellen Handbewegung
zuwarf.
»Das ist ein Neoprenanzug, ziemlich dick. Das Wasser hier ist
subantarktisch, hat nur um die zehn Grad, da willst du so etwas anhaben, bevor
du ins Wasser springst.« Seine Erläuterung klang so, als ob der Sprung in
kaltes Meerwasser etwas Wunderbares wäre. Dabei klang in Katharinas Ohren schon
das Wort »subantarktisch« wie eine klare Absage an einen Schnorchelausflug.
Sie hob zweifelnd den Anzug hoch und deutete auf das Wasser. »Was
soll ich da drin? Die Robben kann ich doch von hier aus auch sehen!«
»Nicht so, wie du sie im Wasser sehen kannst!«, erklärte Matiu, der
sich schon zur Hälfte in den unbequem engen Anzug hineingepresst hatte.
Katharina war dankbar, dass sie in der Früh einen Badeanzug unter
Jeans und Sweatshirt gezogen hatte. So musste sie sich vor Matiu wenigstens
nicht komplett entblöÃen. Der Anzug war dick und unhandlich. Als sie die dazupassende
Haube aufsetzte, kam sie sich vor, als ob sie sich in eine unförmige, schwarze
Wurst verwandelt hätte. Zum Glück sah Matiu keinen Deut besser aus. Er gab ihr
noch Taucherbrille, Flossen, Bleigürtel und Schnorchel, legte selbst alles an
und lieà sich, ohne eine Sekunde zu zaudern, über den Rand des Bootes nach
hinten fallen. Dabei bemerkte Katharina, dass er an seinem verletzten Fuà auf
die Flosse verzichtet hatte. Er verlieà sich wohl darauf, dass er auch mit nur
einer Flosse zurechtkommen würde.
Prustend tauchte er ein paar Meter von dem Boot entfernt wieder auf.
»Ist nur im ersten Moment ekelhaft kalt, komm, trau dich!«, rief er. »Um das
Boot musst du dir keine Gedanken machen, den Anker habe ich gerade zwischen
zwei Felsen verkeilt â da kann nichts passieren!«
Katharina zögerte. Aber dann sah sie einen Schatten direkt unter der
Wasseroberfläche auf Matiu zuflitzen. »Achtung!«, brüllte sie.
Aber er lachte nur, drehte sich gemächlich um und tauchte mit einer
trägen
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