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Der Gesang der Maori

Der Gesang der Maori

Titel: Der Gesang der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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Süßkartoffeln
aus dem Garten, Kräuter – und kein Gourmetrestaurant in Auckland könnte
mithalten.«
    Â»Könntest du da nicht ein Restaurant aufmachen? Für alle, die nicht
so gut kochen können?« John hielt seinen Vorschlag für gar nicht so schlecht.
    Aber Paikea lachte nur auf. »Was für ein Blödsinn! Hier in Kaikoura
hat niemand Geld – erst recht nicht die Maori. Die Pakeha würden kaum in ein
Restaurant von einem Maori gehen, sie denken doch alle, dass wir in einem fort
nur zerkochtes Schweinefleisch aus irgendwelchen Erdöfen holen. Nein, ich muss
etwas anderes finden.« Sie setzte ein trotziges Gesicht auf. »Und ich bin mir
sicher, dass mir da etwas einfallen wird!«
    Mit einem Mal sah sie erschrocken zum Himmel. »Es muss schon nach
acht sein! Ich muss los, ich habe meiner Mutter versprochen, dass ich mich
heute um meine kleinen Geschwister kümmere!« Sie drehte sich um, rannte ein
paar Schritte, drehte sich dann wieder um und winkte ihm zu. »Wenn ich dich
nicht mehr sehe, dann wünsche ich dir viel Glück in den USA! Mögen alle deine
Wünsche dort in Erfüllung gehen!« Dann drehte sie sich wieder um und rannte, so
schnell es ging, über den kiesigen Strand in Richtung der Häuser davon.
    Mit einem verwunderten Lächeln im Gesicht sah John ihr hinterher.
»Jetzt, wo ich dich gefunden habe, will ich gar nicht mehr so schnell weg«,
murmelte er leise. Paikea schien ihm wie ein wahr gewordener Traum. Seinen
Schutzengel gab es wirklich. Ohne Arbeit und mit einem Haufen Probleme – und
trotzdem gut gelaunt. Lächelnd ging er zurück zu dem Motel, in dem er
übernachtet hatte. Bei der Rezeption gab er Bescheid, dass er noch ein paar Tage
bleiben würde – dann legte er sich erst einmal schlafen.
    Schon am nächsten Tag trafen er und Paikea sich wieder an dem
Felsen. Sie war überrascht, dass er überhaupt noch da war – und er gab zu, dass
er sich so gefreut hatte, sie kennenzulernen, dass er seine Pläne einfach erst
einmal umgestellt hatte. »Die USA warten auch in
vierzehn Tagen noch auf mich!«, meinte er.
    Mit gerunzelter Stirn nickte Paikea. »Das mag sein. Aber wenn ich
mich an dich gewöhnt habe und mich auf die Begegnungen mit dir freue, und du
verschwindest einfach – dann bist du auch in den USA
nicht sicher vor meinen Flüchen. Ich will mich nicht jemandem vertraut machen,
der dann einfach wieder aus meinem Leben verschwindet.«
    Â»Das werde ich nicht tun, das verspreche ich dir!«, erklärte John
feierlich. Und er fühlte sich in diesem Moment so, als hätte er einen
heiligeren Eid als das Ehegelöbnis abgelegt.
    Sie lachte. »Als ob du wegen mir auf deine USA
verzichten würdest … Das hätte ich dir nicht einmal als kleines Mädchen
geglaubt!«
    Er antwortete nicht. Stattdessen sah er ihr in die dunklen Augen.
»Aber erst einmal will ich wissen, warum du überhaupt von hier weggegangen
bist. Wenn Familie wirklich so wichtig für dich ist, warum hast du sie dann
verlassen?«
    Â»Wegen der Familie bin ich weg. Kein Job, mein Vater hat damals ein
bisschen viel getrunken, und meine Mutter war schwanger mit meiner jüngsten
Schwester. Wir brauchten Geld, und ich wusste, dass man als Putzfrau und
Hausmädchen in Auckland ein paar gute Dollars verdienen kann. Also bin ich los,
habe mich jeden Abend in den Schlaf geweint und meine Bucht, meine Robben,
meine Wale und meine Delfine vermisst. Bis ich es nicht mehr ausgehalten habe.
Jetzt bin ich wieder hier, und meiner Familie fehlt schon wieder das Geld. Sie
wollen nicht bei den Pakeha arbeiten, Maori haben keinen Job. Bleibe nur ich –
und ich bin hier die Helferin beim Flicken der Fischernetze, die Verkäuferin im
Milchladen – aber nur, wenn die Besitzerin keine Zeit hat – und das Mädchen,
das auf einer Farm im Hinterland jeden zweiten Tag die Ziegen melkt. Alles
keine tollen Jobs, aber sie sorgen dafür, dass wir gerade so über die Runden
kommen …« Zum ersten Mal fiel John auf, dass sie zwar ein mädchenhaftes Gesicht
und eine sehr schmale Figur hatte – aber dass sie auch Augenringe hatte und
unter der honigfarbenen Haut der Maori ein wenig fahl wirkte.
    Â»Du sorgst für alle – wer sorgt denn dann für dich?«, fragte er
vorsichtig nach.
    Â»Na, ich muss mich um mich selbst kümmern. Ich bin doch die große
Kümmerin.« Sie

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