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Der Gesang der Maori

Der Gesang der Maori

Titel: Der Gesang der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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zahlte schlechte Preise
für seine Matrosen, so kamen zwielichtige Arbeiter zu ihm. Die, die wussten,
dass sie keine Zeugnisse vorlegen mussten und dass nicht nach ihrer
Vergangenheit gefragt wurde. John hatte schmerzlich erfahren müssen, dass die
Pacific Shipping Company unter den Matrosen einen besonders schlechten Ruf
genoss. Schlechtes Essen, dünnes Bier, schmutzige Kojen und dazu die miese Bezahlung
… hier sammelten sich die dunklen Gestalten der Häfen Aucklands, die sonst
nirgends auf eine Anstellung hoffen konnten.
    John warf keinen Blick zurück auf
seinen engen Schlafplatz und verließ das Schiff, so schnell es ging. Seine
magere Heuer hatte er gut in seinem Seesack verstaut, mehr verlangte er nicht.
Jetzt hatte er nur noch ein Ziel: Er wollte seine Mutter finden. Oder
wenigstens ihr Grab besuchen. Aber bevor er sich in die langen Passagierlisten,
die es im Hafenamt hoffentlich gab, vertiefte, wollte er erst einmal seine
Kleidung waschen und ein heißes Bad nehmen. Und ausschlafen. Er mied die
schäbig aussehenden Pensionen am Hafen, die für Matrosen aus aller Herren
Länder eine billige Unterkunft anboten. Von Matrosen und ihren harten Fäusten
hatte er erst einmal genug. Er ging einfach weiter, bis er ein anderes
Stadtviertel fand und in einem Fenster einen handgeschriebenen Zettel
entdeckte: »Möbliertes Zimmer zu vermieten«.
    John zögerte einen Moment. Seit er vor Jahren erfahren hatte, dass
seine Mutter womöglich noch lebte – und zwar in Deutschland –, kannte er nur
noch einen Wunsch: Er wollte sie finden. Ihr sagen, dass er sie schrecklich
vermisst hatte, seine ganze Kindheit über. Heimlich träumte er davon, dass sie
ihn in ihre Arme schließen würde. Ihm über die Haare streichen und ihm dabei
ins Ohr flüstern würde, dass sie die ganze Zeit auf ihn gewartet habe. Allein
dafür hatte er die Deutschkurse belegt und die fremde Sprache beständig
gebüffelt. Leider lag sie ihm offensichtlich nicht in den Genen, Deutsch war
sperrig und schwer zu erlernen … aber jetzt war er seinem Ziel so nahe, er
atmete die gleiche Luft, die sie bereits seit siebzehn Jahren um sich hatte. Ob
sie noch in der Stadt war? Lohnte es sich überhaupt, ein Zimmer zu nehmen und
es womöglich für mehrere Wochen zu mieten? Vielleicht würde er sie schon morgen
finden …
    John schüttelte den Kopf. Es war unklug, auf eine kurze Suche zu
hoffen. Wahrscheinlich würde es etliche Tage dauern, bis er überhaupt eine Spur
seiner Mutter entdeckte. Kurz entschlossen öffnete er das kleine Gartentürchen
und ging die wenigen Schritte zu der dunklen Holztür. Sie öffnete sich in der
Sekunde, in der er auf den abgegriffenen Messingknopf der Klingel gedrückt
hatte. Fast so, als ob die Frau, die ihn neugierig aus ihren hellblauen Augen
musterte, direkt dahinter gewartet hätte. Sie kräuselte die Nase.
    Â»Sie brauchen eine Dusche!«, stellte sie sofort fest.
    John nickte. »Da haben Sie wirklich recht! Ich habe gehofft, dass
bei dem Zimmer, das Sie anbieten, auch die Benutzung eines Badezimmers im Preis
inbegriffen ist.«
    Jetzt musterte sie ihn noch genauer. »Ihr Deutsch ist gut, aber Sie
sind kein Deutscher! Woher kommen Sie? Ich möchte aber keinen Amerikaner in
meinem Haus haben!« Ihre Stimme klang entschieden.
    John zuckte mit den Achseln und setzte ein harmloses Gesicht auf.
»Würden Sie einen Neuseeländer nehmen?«
    Â»Neuseeland?« Überrascht musterte sie ihn noch einmal. »Da sind Sie
aber einen weiten Weg gekommen.«
    Sie trat zurück und winkte ihm zu, dass er über die Schwelle treten
sollte. Von einem schmalen, dunklen Gang mit geblümter Tapete gingen ein paar
Türen ab, die alle fest verschlossen waren. Die Frau führte ihn direkt zu einer
steilen Stiege und lief vor ihm die ausgetretenen Stufen nach oben. Für eine
Frau in ihrem Alter war sie überraschend leichtfüßig, bemerkte John. Vielleicht
hatte er sich getäuscht, und der Krieg hatte ihr vorzeitig Falten ins Gesicht
gegraben. Im oberen Stockwerk wartete ein weiterer dunkler Flur auf ihn. Umso
größer die Überraschung, als sie die Tür zu einem großen Zimmer aufstieß. Eine
Flügeltür führte auf einen Balkon, ein Bett mit blau-weiß gestreifter
Bettwäsche stand an der Wand. Darüber eine Zeichnung einer Frau, die
sehnsuchtsvoll auf das Meer blickte. John nahm

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