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Der Gesang der Orcas

Der Gesang der Orcas

Titel: Der Gesang der Orcas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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nur annähernd wie ein Wal ausgesehen hätte. Meine Ungeduld wurde immer größer, je länger wir unterwegs waren.
    Als plötzlich jemand an meiner Schulter rüttelte, zuckte ich erschrocken zusammen. Es war Javid, der in Fahrtrichtung zeigte und mir mit einem aufmunternden Nicken sein Fernglas reichte.
    Ich nahm es und sah hindurch. Mein Blick irrte ziellos umher, denn die Wasserfläche war riesig und zuerst konnte ich nichts Besonderes entdecken. Ein paar kleine Boote waren draußen, sonst gab es nichts als die glitzernde Ebene bis zum Horizont. Wollte er mich auf den Arm nehmen?
    Schließlich sah ich etwas, das wie eine schwarze Wurzel aussah, die im Wasser trieb. Beim genaueren Hinsehen wurde mir klar, dass sich die vermeintliche Wurzel bewegte. Das musste ein Wal sein. Ein Orca mit einer seltsam abgebrochen aussehenden Rückenflosse.
    Kurz darauf entdeckte ich noch vier weitere Wale. Ihre mächtigen schwarzen Flossen ragten stolz aus dem Wasser wie Schwerter. Allerdings waren sie so weit weg, dass ich sie selbst mit dem Fernglas kaum erkennen konnte.
    Â»Es ist nur eine kleine Gruppe«, sagte Javid. »Granny, eine alte Walkuh, ihre Tochter Conny und ihre beiden Söhne Bob und Lopo. Die Jüngste ist Mora. Ich nehme an, sie ist Grannys Enkelin.«
    Ich musste ein dummes Gesicht gemacht haben, denn Javid lachte, dass seine weißen Zähne blitzten. »Du fragst dich, woher ich das weiß?«
    Ich nickte und konnte meinen Blick nicht von ihm wenden, seinem Lächeln, seinen Augen. Er hatte eine angenehme, dunkle Stimme und ich mochte es, ihn reden zu hören.
    Â»Ganz einfach«, sagte er. »Ich habe ihnen die Namen gegeben. Orcas leben in Familienverbänden, man nennt sie Schulen.Die Großmutter ist das Familienoberhaupt. Ihre Söhne bleiben ein Leben lang bei ihr, nur die Töchter schließen sich manchmal anderen Schulen an oder bilden eine eigene. Diese fünf Orcas beobachte ich schon länger als einen Monat.«
    Henry Soones drosselte den Motor und das Boot bewegte sich in langsamem Tempo parallel zur Walgruppe. Immer deutlicher konnte ich sie erkennen. Als wir nahe genug an den Tieren heran waren, stellte Javids Onkel den Motor ab. Sofort begann das Boot auf den Wellen zu schaukeln und wir klammerten uns an die Reling. Eine Weile sahen wir noch die schwarzen Rückenflossen der Wale aus dem Wasser ragen, dann waren sie plötzlich verschwunden.
    Wie gebannt starrten wir alle auf die Stelle im Meer, wo sie untergetaucht waren. Niemand sagte ein Wort. Ich warf Javid einen enttäuschten Blick zu. Aber er wies nur geheimnisvoll aufs Wasser. Und plötzlich tauchten ihre riesigen Körper dicht vor dem Boot wieder auf. Mrs Austin und mein Vater hatten ihre Kameras im Anschlag und nun klickten wild die Auslöser.
    Die Wale tauchten unter dem Boot durch, was Mrs Austin mit einem schwachen Schrei kommentierte. Danach umkreisten sie mehrmals unser kleines Motorboot, als wollten sie spielen.
    Henry Soones blickte zufrieden drein und begann sein einstudiertes Programm abzuspulen. Er ließ uns hören, was er über Schwertwale wusste. Orcinus orca, wie Wissenschaftler die Meeressäuger nennen, gehören zur Ordnung der Waltiere, und weil ihre Ober- und Unterkiefer spitze Zähne haben, zur Unterordnung der Zahnwale. »Sie sind geschickte und gefürchtete Jäger«, sagte er, »weil sie sich untereinander durch ihren Sonar verständigen können. Wenn sie Lachse jagen, treiben sie sich die Fische gegenseitig ins Maul. Wenn sie lautlos jagen wollen, stellen sie ihren Sonar einfach ab.«
    Als der Wal mit der fehlenden Rückenflosse ganz nah ans Boot kam und seinen spitz zulaufenden Kopf neugierig aus dem Wasser streckte, konnte ich die Zähne sehen. Sie waren beeindruckend spitz, aber seltsamerweise hatte ich keine Angst. Die Augen des Orcas blickten freundlich und wissend.
    Â»So ein Orca-Bulle kann maximal neun Meter, eine Kuh sieben Meter lang werden«, erklärte Henry uns weiter. »Im Schnitt werden sie 50 Jahre alt, können aber auch 70 und älter werden.«
    So alt, dachte ich fasziniert. Fast wie ein Menschenleben.
    Auch die anderen vier Wale hatten ihre Scheu verloren und sich unserem Boot inzwischen bis auf zwanzig Meter genähert. Sie stießen ihren Blas, die feuchte Atemwolke in die Luft und ließen neugierige Klicktöne hören. Ab und an brachen Sonnenstrahlen durch Löcher in den Wolken und ich

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