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Der Gesang der Orcas

Der Gesang der Orcas

Titel: Der Gesang der Orcas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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ich jedenfalls nicht.
    Javid ließ mir keine Zeit zum Grübeln. Schon zog er mich weiter, in eine Ecke neben der Kasse, wo drei Resopaltische und ein paar Plastikstühle standen. Es roch nach Muscheln und überbackenem Käse, und was da hinter den heißen Scheiben vor sich hin blubberte, machte mir nicht unbedingt Appetit. Aber ich hatte wirklich großen Hunger und so entschied ich mich kurzerhand für den Nudelauflauf.
    Javid kaufte mir eine Portion und bestellte sich selbst einen Becher Muschelsuppe, eine weißliche Flüssigkeit, in der undefinierbare graue Stückchen schwammen. Als ich ihm das Geld zurückgeben wollte, wehrte er gekränkt ab.
    Â»Ich hab dich eingeladen«, sagte er. »Ich weiß nicht, was ihr in Deutschland für komische Bräuche habt, aber bei uns bezahlt man nicht, wenn man eingeladen wurde.«
    Javid Ahdunko hatte mir tatsächlich ein Essen spendiert. Das hatte noch nie ein Junge für mich getan. Ich bedankte mich bei ihm mit einem Lächeln. Dann verschlang ich meine Nudeln und war überrascht, wie gut sie schmeckten. Vor allem wohl deshalb, weil sie in einer dicken Soße aus Käse und Sahne schwammen.
    Â»Willst du mal von meiner Suppe probieren?«, fragte Javid und hielt mir den Becher unter die Nase. Ich schüttelte den Kopf und konnte nicht verhindern, dass ich mein Gesicht verzog. Für Muscheln hatte ich noch nie was übrig gehabt.
    Er lachte. »Sie schmeckt besser, als sie aussieht, glaub mir. Mit vielen Dingen ist das so. Erst bist du enttäuscht, weil du ganz andere Vorstellungen von einer Sache hattest. Und wenn du dir nicht die Mühe machst, hinter die Fassade zu schauen, wirst du enttäuscht bleiben. Man muss sich schon ein bisschen anstrengen, um das Schöne zu finden.«
    Ich schluckte überrascht. Was waren das für Worte? Und noch dazu von einem Jungen wie Javid. Verbarg sich vielleicht eine alte Seele hinter seinem hübschen Gesicht, obwohl er schwarze Augen hatte und keine grünen?
    Noch einmal reichte Javid mir den Pappbecher mit der Suppe. »Na los«, sagte er, »sei nicht feige und probier sie! Mach einfach die Augen zu und nimm einen Schluck.«
    Ich schloss meine Augen und hielt den Atem an, als ich die Suppe probierte. Aber Javid hatte Recht: Sie schmeckte tatsächlich, auch wenn man es ihr nicht ansah. »Gut«, sagte ich, nachdem ich meine Augen wieder aufgemacht hatte. Er nickte und grinste zufrieden, als er den Becher wieder in Empfang nahm.
    Als wir den Supermarkt verließen, nieselte es nur noch. Javid entpuppte sich als Kavalier und trug die Tüte mit meinen Einkäufen bis zum Motel. Auf der Treppe zu den oberen Zimmern verabschiedete ich mich von ihm.
    Â»Danke für die Nudeln und fürs Tragen«, sagte ich und streckte die Hände nach meiner Einkaufstüte aus. Aber Javid machte keine Anstalten, sie mir zu geben. Mit einer Kopfbewegung zur Tür neben dem Treppenaufgang, die – wie ich annahm – in sein Zimmer führte, fragte er: »Hast du Lust, noch einen Augenblick mit reinzukommen?«
    Ich schüttelte brüsk den Kopf. Diese Einladung kam dann doch ein bisschen überraschend und ich blockte erst einmal ab. »Mein Vater hatte vorhin mächtige Zahnschmerzen und ich will erst einmal sehen, wie es ihm geht. Außerdem muss ich mich umziehen. Ich bin ganz nass und langsam wird mir kalt.«
    Javid akzeptierte meine lange Ausrede und reichte mir die braune Papiertüte. »Okay. Solltest du es dir anders überlegen, brauchst du nur zu klopfen. Ich bin da.«
    Zuerst einmal klopfte ich an der Zimmertür meines Vaters und fand ihn lesend auf seinem Bett. Seine rechte Gesichtshälfte war geschwollen und er lächelte schief. Mitleidig sah ich ihn an. »Sieht gar nicht gut aus«, sagte ich, zog meine Regenjacke aus und setzte mich zu ihm aufs Bett.
    Er legte das Buch zur Seite. »Ich war schon bei Freda, aber sie hat mir abgeraten in Neah Bay zum Zahnarzt zu gehen, wenn es etwas Ernstes ist. Also werde ich morgen Vormittag nach Port Angeles fahren, einen Termin habe ich schon. Du kannst mitkommen, wenn du willst, und dir die Stadt ansehen.«
    Ich nickte. »Werde es mir überlegen. Hast du Hunger?«
    Â»Was hast du denn mitgebracht?«
    Ich kippte meine Einkäufe auf den Tisch und sagte resigniert: »Wahrscheinlich nichts für jemanden, der so aussieht wie du.«
    Papa erhob sich vom Bett, begutachtete meinen

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