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Der Gesang der Orcas

Der Gesang der Orcas

Titel: Der Gesang der Orcas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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verstanden. Und sie wusste immer einen Rat.«
    Ich wollte es nicht, aber jetzt liefen mir doch Tränen über die Wangen. Der Tag mit Javid war so schön gewesen und nun machte Papa alles kaputt. In diesem Augenblick wünschte ich mir, ich könnte mit meiner Mutter hier sein und nicht mit ihm. Sie hätte mir zugehört und alles wäre in bester Ordnung gewesen.
    Â»Sag mir mal eines: Warum sind wir eigentlich zusammen nach Amerika geflogen?«
    Resigniert hob Papa die Hände. »Es war ein Versuch.«
    Ich warf zornig meine Gabel auf den Teller, dass es laut klirrte, sprang auf und verließ das Restaurant. Was er da gesagt hatte, machte mich verdammt wütend. Noch viel wütender, als ich es vorher schon war. Dass er so schnell aufgab und sich wieder in sein Schneckenhaus zurückzog! Niemals hätte ich das von ihm gedacht. Er ließ mich schon wieder allein.
    Ich hatte wirklich nicht die geringste Lust, mit ihm in den Regenwald zu fahren, obwohl ich andererseits verdammt neugierig darauf war. Ich hatte keine Lust, mit ihm überhaupt irgendwohin zu fahren. Sollte er doch seine dämlichen Fotos machen und mich einfach in Ruhe lassen.
    Am steinigen Ufer der Meerenge machte ich Halt. Sogar hier gab es Ebbe und Flut, wenn auch nicht mehr so deutlich wie am Sooes Beach. Muschelschalen und Krabbenpanzer lagen an der schaumigen Wasserlinie. Möwen stocherten mit ihren gelben Schnäbeln darin herum, in der Hoffnung, etwas Essbares zu finden. Als der Koch einen Eimer mit Küchenabfällen ans Ufer schüttete, flogen sie dorthin, um sich an den Leckerbissen gütlich zu tun.
    Die Sonne ging langsam unter und ich dachte an den Sonnenuntergang am Cape Flattery und an Javids Kuss. Vielleicht war er nur ein Traum gewesen, nur Einbildung. Vielleicht hatte ich alles falsch verstanden. Seit jenem Abend hatte Javid nicht wieder versucht mich zu küssen. Natürlich musste er denken, dass ich es nicht wollte, so wie ich mich benommen hatte. Und dabei sehnte ich mich doch danach. Vielleicht fühlt sich Liebe so an, dachte ich.
    Nach einiger Zeit kam mein Vater zum Ufer herunter. Natürlich hatte er erst bezahlt, bevor er losgegangen war, um mich zu suchen. Er legte seine Hand versöhnlich auf meine Schulter. »Ich habe nachgedacht«, sagte er mit sachlicher Stimme. »Du bist fünfzehn und ich kann dich nicht zwingen, noch kann ich dich vor etwas beschützen, vor dem du gar nicht beschützt werden willst. Wie wäre es mit einem Waffenstillstand?«
    Ich blickte ihn ungläubig von der Seite an.
    Â»Auch wenn es mir nicht leicht fällt, will ich versuchen zu akzeptieren, dass du Javids Gesellschaft der meinen vorziehst«, sagte er. »Zugegeben, er sieht viel besser aus als ich.«
    Ungewollt lächelte ich. »Und was muss ich dafür tun?«
    Â»Dieses Land ist rau und es hat die Denkweise der Menschen hier geprägt.Eine Denkweise, die wir Europäer nie ganz verstehen werden. Wer die Regeln nicht kennt, die hier gelten, kann schnell was falsch machen.Deshalb möchte ich immer wissen, wo du bist. Tu nichts Unüberlegtes und sei vorsichtig.«
    Â»Das ist alles?«
    Â»Es ist viel für jemanden, der so jung ist wie du und der in anderen Menschen nur das Gute sieht.«
    Â»Okay«,sagte ich. »Ich werde nichts Unüberlegtes tun und vorsichtig sein. Außerdem werde ich dich immer wissen lassen, wo ich bin. Dafür wirst du mich nicht mehr wie ein kleines Kind behandeln und mir einfach ein bisschen vertrauen.«
    Â»Okay.« Er hielt mir seine Hand hin und nach einigem Zögern schlug ich ein.
    Als wir ins Motel zurückkehrten, brannte Licht in Javids Zimmer. Obwohl ich gerne noch zu ihm gegangen wäre, wollte ich Papas Vertrauen und unseren Waffenstillstand nicht gefährden und beließ es dabei.
    Mein Vater sagte mir, dass er am nächsten Morgen um sieben Uhr frühstücken und danach gleich losfahren würde. »Wenn du doch noch mitwillst, musst du bereit sein.« Das war ein faires Angebot und ich wünschte ihm eine gute Nacht.

11. Kapitel
    O bwohl ich eine Frühaufsteherin war und meistens keinen Wecker brauchte, versagte an diesem Morgen meine innere Uhr. Als ich mich gähnend im Bett streckte und darüber nachdachte, meinen Vater vielleicht doch in den Regenwald zu begleiten, war es schon zu spät. Ich hatte verschlafen und er war weg. Dass er nicht versucht hatte mich zu wecken, nahm ich als gutes

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