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Der Gesang der Orcas

Der Gesang der Orcas

Titel: Der Gesang der Orcas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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bisschen vielleicht. Wenn der Zahn vereitert ist, wirkt die Betäubung nicht richtig. Es hat weh getan, aber die Zahnärztin war schnell und geschickt. Jetzt bin ich froh, dass ich es hinter mir habe und wieder richtig arbeiten kann.«
    Er musterte mich eindringlich und sagte: »Wo wir einmal beim Thema sind, ich würde morgen gerne im Regenwald fotografieren. Hab mich umgehorcht und die meisten Leute haben mir die Gegend am Hoh River empfohlen. Dort soll es besonders schön sein. Das Wetter wird sich halten und ich will morgen da Aufnahmen machen.« Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Ich möchte, dass du mitkommst.«
    Ich hob die Schultern. »Vielleicht.«
    Er schüttelte den Kopf, als hätte ich ihn falsch verstanden. »Nicht vielleicht, Sofie. Ich will nicht, dass du schon wieder den ganzen Tag mit diesem Javid in der Gegend herumschwirrst.«
    Verletzt und ungläubig blickte ich ihn an. Ich hatte meinen Vater immer für einen offenen Menschen gehalten, tolerant gegenüber Andersartigen und Andersdenkenden. Aber augenscheinlich hatte er ein Problem damit, dass ich mit Javid Ahdunko befreundet war. Mich interessierte brennend, ob es daran lag, dass Javid ein Junge war, oder daran, dass er Indianer war.
    Der Kellner mit dem Vogelgesicht brachte unser Essen. Ich nahm das Besteck in die Hand und starrte auf meinen Teller.
    Â»Wieso sagst du nichts?«, fragte mein Vater.
    Â»Ich schwirre nicht herum«, antwortete ich leise. »Ich habe gemalt.«
    Â»Das kannst du morgen im Regenwald auch.« Er begann seine Austern zu schlürfen.
    Â»Darum geht es doch gar nicht.«
    Er sah auf, die Augenbrauen fragend nach oben gezogen. »Worum dann?«
    Â»Darum, dass du es nicht ertragen kannst, dass sich ein Junge für mich interessiert. Noch dazu einer mit brauner Haut und langen Haaren. Es stört dich, dass ich nicht mehr deine kleine Sofie bin, über die du bestimmen kannst, wie du willst.«
    Papa schluckte und hielt inne. Diese Antwort hatte er nicht erwartet und offensichtlich traf sie ihn.
    Â»Dieser Javid Ahdunko ist kein Junge mehr, Sofie, er ist ein junger Mann«, warf er schließlich ein.
    Â»Javid ist sechzehn, Papa. Nur ein einziges Jahr älter als ich.«
    Â»Ja, verdammt noch mal, vielleicht ist er nur ein Jahr älter als du. Aber sieh dir den Burschen doch an: Er ist nicht mehr dürr und pickelig wie die meisten Jungs in seinem Alter. Javid ist groß und kräftig wie ein Mann und scheint genau zu wissen, was er will.«
    Â»Deshalb mag ich ihn ja«, sagte ich bissig.
    Papa kleckerte die nächste Auster auf sein Hemd und ich musste mir ein Lachen verkneifen.
    Â»Bist du etwa in Javid verliebt?«, fragte er in einem Tonfall, als ob das etwas wäre, das einfach nicht zu mir passte. Zu Sofie, der rothaarigen, dünnen Sofie mit den schlabberigen grauen Klamotten und einem Farbkasten als ständigem Begleiter. Sofie Tanner, die nichts anderes als ihre Malerei im Sinn hatte.
    Ich zuckte die Achseln.
    Nun wurde mein Vater erst richtig nervös. »Hat er … habt ihr …?« Argwöhnisch blickte er mich an.
    Â»Nein«, sagte ich. »Was auch immer du fragen wolltest.«
    Â»Sofie«, sprach er in plötzlich versöhnlichem Tonfall auf mich ein, »du bist zum ersten Mal in deinem Leben richtig verliebt und zeigst diesem Jungen, den du überhaupt nicht kennst, so offen deine Wünsche. Er stammt aus einer fremden Kultur und denkt ganz anders als wir. Das macht dich doppelt verwundbar. Ich will einfach nicht, dass du schmerzliche Erfahrungen machst.«
    Â»Vielleicht ist es an der Zeit, dass ich endlich mal eigene Erfahrungen mache«, protestierte ich. »Und wieso glaubst du eigentlich, Javid könnte es nicht ehrlich meinen?«
    Â»Ihr kennt euch doch erst seit zwei Tagen.«
    Â»Na und? Nach zwei Tagen warst du mit Mama bereits im Bett«, sagte ich wütend. »Während Javid mir nur zugesehen hat, wie ich Farbe aufs Papier bringe.« Das war nicht ganz die Wahrheit, aber von Javids Kuss brauchte er schließlich nichts zu wissen.
    Papa blieb einen Moment der Mund offen stehen. »Woher weißt du das?«
    Â»Ich war dabei.«
    Â»Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Ich meine, das mit Mama und mir.«
    Â»Sie hat es mir erzählt. Im Gegensatz zu dir habe ich mit Mama über alles reden können. Sie war meine beste Freundin. Sie hat mir zugehört und mich

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