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Der Gesang der Orcas

Der Gesang der Orcas

Titel: Der Gesang der Orcas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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wuchs, mein Hirn war blockiert.
    Â»Ich beiße nicht«, flüsterte er.
    Sein Mund näherte sich meinem und er schloss die Augen. Ich nicht. Die Wassertropfen in Javids langen schwarzen Wimpern funkelten in der Sonne. Seine Nähe machte mich ganz schwindelig. Meine Hände lagen auf seinen Schultern, als unsere Lippen sich weich berührten.
    Â»Na siehst du«, flüsterte er an meiner Wange. »Es geht doch. Wenn du den Mund ein klein wenig aufmachst«, bemerkte er sachlich, »geht es noch besser.«
    Ich öffnete leicht meinen Mund, wie er es mir geraten hatte, und er küsste mich noch einmal. Seine Zunge berührte meine und ich fand es schön. Küssen war ganz anders, als ich gedacht hatte. Ein wohliges Gefühl rann durch meinen Körper, wie feiner Sand durch eine Sanduhr. Ich spürte auch Javids Körper auf diesen Kuss reagieren und in diesem Augenblick fühlte ich mich, als wäre ich wirklich Kupferfrau.
    Aber noch bevor ich mich diesem Gefühl hingeben konnte, waren wir plötzlich von einer Horde schreiender Kinder umringt, die um uns herum ins Wasser sprangen. Wir schwammen noch ein Stück, dann kletterte Javid ans Ufer und half mir aus dem Wasser. Wir gingen zu unserer Decke zurück. Ehe ich danach greifen konnte, legte er mir eines der Badetücher um die Schultern und rubbelte mich ein bisschen. Ganz zaghaft, als hätte ich Glasknochen und er Angst, ich würde zerbrechen, wenn er mich kräftiger anfasste. Dabei war immer dieses belustigte Funkeln in seinen Augen, das ich nicht zu deuten wusste. Lachte er mich aus? Spielte er mit mir? Sicher war ich ein williges Opfer, weil ich ihn wirklich gern hatte. Viel mehr, als ich zu zeigen vermochte.
    Schließlich saß er neben mir auf der Decke, die Unterarme auf den Knien, kaute an einem Grashalm und ließ sich in der Sonne trocknen. Wie es wohl wäre, seine warme glatte Haut an meiner zu spüren, ohne nassen Stoff dazwischen? Zum ersten Mal fragte ich mich, wie es sein würde, von ihm gestreichelt zu werden.
    Â»Gehst du denn manchmal im Meer baden?«, fragte ich, um diese Gedanken zu verscheuchen.
    Â»Selten«, erwiderte er. »Der Ozean wird nie richtig warm, auch im Sommer nicht. Deshalb sind die Wale da.«
    Die Wale. »Ob sie noch dort draußen sind?«
    Â»Die Orcas?«
    Â»Ja.«
    Javid nickte beiläufig. »Die Lachse sind endlich gekommen und nun finden die Orcas auch genug zu fressen.«
    Â»Aber sind denn auch genug Lachse für die Fischer und die Wale da?«
    Â»Früher war das so. Aber heute reicht der Lachs nicht mehr für die Fischer, auch wenn die Orcas nicht da wären. Die Fanggründe nehmen rapide ab.«
    Â»Warum?«
    Javid zuckte die Achseln und schniefte. »Dafür gibt es viele Gründe. Die Verschmutzung des Meeres, seine Erwärmung. Manche Fischarten mögen es nicht warm und verschwinden deshalb in die Tiefe, wo es kühler ist. Das macht es für die Fischer noch schwerer, sie mit ihren Netzen zu fangen. Außerdem gibt es zu viele Sportfischer. Vor ein paar Jahren hat der Stammesrat den Ausbau des Hafens für Sportfischer beschlossen, weil sie dachten, das könnte eine gute Einnahmequelle werden. Dabei haben sie sich nur selber reingelegt. Jetzt haben viel zu viele weiße Sportfischer ihre Boote in unserem Hafen.«
    Â»Und nun sind auch noch die Wale da«, sagte ich.
    Â»Ja. Nur wenige in Neah Bay freuen sich über die Orcas.«
    Â»Und was ist mit dir?«
    Â»Ich bin froh, dass sie da sind. Sie haben überlebt, obwohl sie eine Zeit lang genauso wahllos vernichtet wurden wie wir Indianer. Und es ist noch nicht zu Ende.«
    Â»Ich würde sie so gerne wieder sehen«, sagte ich endlich. »Vielleicht bekommt dein Onkel ja noch einmal genug Leute zusammen, dann musst du mir unbedingt Bescheid sagen. Ich habe genug eigenes Geld, um ihn zu bezahlen.«
    Javid wandte mir das Gesicht zu und blickte mich unter schweren Wimpern hervor an. »Du willst die Wale sehen, Copper? Das kannst du auch ohne Geld haben. Brauchst nur ein bisschen Mut.«
    Â»Mut?« Ich runzelte misstrauisch die Stirn.
    Â»Ich habe ein Schlauchboot, es gehörte meinem Vater. Es hat einen guten Motor und ich bin schon oft damit auf dem Meer draußen gewesen. Aber das ist nicht jedermanns Sache.«
    War ich vielleicht jedermann?
    Â»Ich habe keine Angst«, sagte ich viel zu schnell. Mein Herz hüpfte und überschlug

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