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Der Gesang der Orcas

Der Gesang der Orcas

Titel: Der Gesang der Orcas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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anfangen es zu bemalen.«
    Ein freudiger Ruck ging durch meinen Körper und verjagte die Traurigkeit, die mich erfasst hatte. Mit Javid am Kanu zu arbeiten versprach allemal spannender zu werden als Boote im Hafen zu malen. Ich nickte schnell. Das Wetter war miserabel, also würde es mir nichts ausmachen, im Schuppen zu arbeiten. Um ganz ehrlich zu sein: Ich war überglücklich, dass ich den Tag mit Javid verbringen durfte.
    Â»Und deine Mutter hat dich wirklich nicht geschickt?«, fragte ich noch einmal.
    Er sah mich an, als wäre ich nicht ganz richtig im Kopf. »Wie kommst du bloß auf so einen Gedanken?«
    Verlegen blickte ich auf den Boden. »Ich habe gestern gehört, wie sie zu dir sagte, dass du freundlich sein sollst, weil wir eure Gäste sind.«
    Javid zog die Augenbrauen nach oben und grübelte. Dann fing er plötzlich schallend an zu lachen. »Ach, jetzt weiß ich, was du meinst. Mama war sauer, weil ich so viel mit Tyler geschwatzt und mich nicht um die Austins gekümmert habe.«
    Â»Die Austins?«
    Â»Ja, die Austins verdammt noch mal. Und jetzt komm mit runter zu mir, dann gebe ich dir ein paar alte Sachen, damit du deine nicht mit Farbe voll schmierst, wenn wir arbeiten.«
    Ich bekam von ihm einen alten Kittel, der voller Farbkleckse war, und wir fuhren in die Siedlung am Hobuck Beach. Ich hätte die ganze Fahrt über singen können vor Freude, aber dann hätte Javid mich sicher für völlig übergeschnappt gehalten.
    Als ich den Schuppen betrat, hatte ich wieder das komische Gefühl, nicht allein im Raum zu sein. Da war niemand außer Javid, das war offensichtlich. Trotzdem spürte ich eine seltsame Art von Anwesenheit, die mich verunsicherte. Natürlich sagte ich nichts, aus Furcht, ich könnte mich lächerlich machen.
    Das Kanu lag unverändert auf den Böcken und das glatte helle Holz der Außenwände rief förmlich danach, bemalt zu werden. Mit den Schablonen aus Pappe, die Javid entworfen und zurechtgeschnitten hatte, und mit einem dicken Bleistift begann er die Muster anzuzeichnen. Es waren drei stilisierte Orcas für jede Seite und ein Donnervogel für den hohen Bug. Ich half ihm die Pappe gegen das Holz zu halten und ab und zu gab er mir den Bleistift, um eine Linie zu ziehen. Verblüfft stellte ich fest, wie gut alles passte.
    Javid arbeitete sehr genau und mit angespannter Miene. Manchmal war sein Kopf dabei so dicht an meinem, dass ich seinen warmen Atem im Gesicht spürte und mich nicht mehr richtig auf die Arbeit konzentrieren konnte. Unsere Arme verschlangen sich beim Halten der Schablonen. Auf einmal hielt ich es nicht mehr länger aus, und als Javids Lippen einmal nur wenige Zentimeter von meinen entfernt waren, küsste ich ihn rasch.
    Erschrocken wich er zurück und hielt inne. »Nicht hier«, sagte er brüsk, ein verstörtes Flackern in den Augen.
    Erstaunt sah ich ihn an. »Warum nicht?« War es nicht gerade das, was er an mir vermisst hatte? Ein bisschen Eigeninitiative.
    Â»Weil …« Er kaute auf seiner Unterlippe herum.
    Â»Weil was?«
    Â»Weil wir nicht allein sind«, brachte er schließlich mühsam heraus und ich merkte, dass seine Stimme etwas Flehendes hatte. Frag nicht weiter nach, sagte sie mir.
    Ich blickte durch den Raum und drehte mich einmal um die eigene Achse. Es war totenstill, ich konnte nur unseren eigenen Atem hören. Und doch war da etwas, ich hatte es schon die ganze Zeit gespürt. »W … w … wer?«, stotterte ich.
    Javid schloss kurz die Augen und stöhnte leise. »Wenn du ein Kanu bauen willst, brauchst du einen spirituellen Helfer, sonst wird aus deinem Vorhaben nichts. Er ist hier im Schuppen. Und er ist schon ein bisschen ungeduldig, weil es so lange dauert, bis das Kanu endlich fertig ist.«
    Ach du dickes Ding, dachte ich. Allerdings war ich eher neugierig als befremdet. »Wer ist Er?«, wollte ich wissen.
    Â»Keine Ahnung.« Javid hob die Schultern bis zum Kinn. »Er hat keine Gestalt und ich habe ihn auch noch nie gesehen. Er ist einfach nur da und ich fürchte, er mag es nicht, wenn man über ihn redet.«
    Das war deutlich und ich wagte nicht Javid weiter nach dem geheimnisvollen Wesen auszufragen. Allerdings war mir nun doch ganz schön unheimlich zu Mute und ich ärgerte mich darüber.
    Aber ich glaube, Javid war froh, dass ich ihn nicht auslachte. Vielleicht hatte er neulich deshalb

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