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Der Gesang der Orcas

Der Gesang der Orcas

Titel: Der Gesang der Orcas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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Tragen seiner schweren Fototaschen und er erzählte mir, dass er mit dem, was er bisher geschafft hatte, zufrieden war. Sehr schnell begann er von Javids Kanu zu sprechen. Der Gedanke daran hatte ihn nicht losgelassen. Wie auch, wenn er selbst einmal von der Idee besessen gewesen war, ein Kanu zu bauen?
    Ich erzählte ihm von Javids Vater. Nur so viel, dass ich keine Geheimnisse verriet. »Nach der Waljagd hat er begonnen das Kanu zu bauen. Dann ist er verunglückt und Javid hat es fertig gestellt. Es sieht richtig gut aus, fast wie die im Museum. Nun bemalen wir es noch. Javid hat sich die Muster selbst ausgedacht. An den Bug kommt der Donnervogel, an die Seiten jeweils drei Orcas.«
    Â»Dann ist er also ein richtiger kleiner Künstler?«
    Â»Javid ist ein Künstler, Papa. Er kann auch wunderschön schnitzen.«
    Â»Ja, Freda hat mir erzählt, dass die Masken von Javid sind, die im Aufenthaltsraum hängen. Das hätte ich ihm gar nicht zugetraut. Aber hier in Neah Bay kann vermutlich jeder schnitzen oder Körbe flechten.«
    Na toll, dachte ich. Mit dieser Bemerkung hatte mein Vater Javids Können heruntergespielt, als wäre es so etwas Selbstverständliches wie Fahrradfahren. Aber ich hatte keine Lust, mit ihm darüber zu diskutieren. Ich war davon überzeugt, dass Javid eine ganz besondere Begabung hatte, und das nicht nur, was seine handwerklichen Fähigkeiten betraf.
    Sollte Papa doch denken, was er wollte. Er machte seine Fotos, die Momentaufnahmen einer fremden Welt waren, während ich diese Welt wirklich erlebte. Dass es so war, hatte ich Javid zu verdanken. Ohne ihn wären die Tage in Neah Bay furchtbar einsam für mich. Ganz besonders jetzt, wo Papa Lorraine gefunden hatte.
    Diesmal hatte ich das Gefühl, als zöge sich der Plankensteg zum Kap endlos lange hin. Aber vielleicht lag das auch daran, dass ich mit meinem Vater und nicht mit Javid Ahdunko unterwegs war. Auch bei hellem Tageslicht blieb es unter dem Dach der Bäume dunkel. Ich konnte jedoch mehr erkennen als an jenem Abend, an dem ich den Pfad das erste Mal gegangen war. Der Küstenwald am Kap mutete wie eine Art Urwald an. Graugrüne Flechten hingen von den Zweigen der Baumriesen wie zottige graue Haarbüschel. War ein morscher Stamm gefallen, blieb er liegen, wo er war, und neue Sämlinge trieben ihre Wurzeln in das verrottende Holz. Die neuen Bäume wuchsen dann in einer geraden Linie auf dem Rücken der gestürzten Stämme, die von den Indianern Nurse Logs genannt wurden.
    Rasch lief ich weiter. Farne wucherten und Beerensträucher. Moose und großblättrige Bodenpflanzen wuchsen im dämmrigen, ewig feucht-kühlen Unterholz, das den Geruch von Moder ausatmete. Die Farbpalette reichte von erdigem Braun bis Giftgrün und vor meinen Augen verschwamm alles zu einem wilden Durcheinander. Manchmal hatte ich das Gefühl, dieser üppige Wald wolle mit seinen grünen Armen nach mir greifen.
    Nach einer Viertelstunde Fußmarsch erreichten wir schließlich die Plattform am Kap. Mit kundigem, abschätzendem Blick sah sich mein Vater um. Wie ich es geahnt hatte, wurde das Fotografieren der Papageientaucher zu einem Abenteuer. Als wir endlich einige der seltenen Vögel entdeckt und ihre Nester ausfindig gemacht hatten, begann mein Vater eine halsbrecherische Kletterei – das Stativ in der linken Hand und die schwere Tasche mit der Fotoausrüstung um den Hals. Die Steilküste war felsig und zerklüftet. Unten schäumte die Gischt, wenn die grünen Wellen gegen den Felsen schlugen.
    Trotzdem war mein Vater nicht mehr zu halten. Längst stand er unterhalb der Brüstung und war dabei, die Steilküste ein Stück hinabzuklettern, bis er die richtige Position für sein Stativ gefunden hatte. Seltsamerweise ließen sich die schwarzen Vögel mit der eigenartigen Federhaube und dem orangefarbenen Schnabel davon nicht stören. Sie stießen Warnschreie aus, verließen ihre Gelege aber nicht.
    Plötzlich machte mein Vater einen falschen Schritt und rutschte. Ein paar Steine lösten sich, kollerten über den Abhang und plumpsten ins Meer. Ich schrie auf und beugte mich über die Brüstung aus dicken Rundhölzern. »Papa?«, rief ich.
    Â»Keine Angst«, sagte er und blickte zu mir herauf. »Mir wird schon nichts passieren.«
    Aus dem Alter, in dem ich solche Beteuerungen glaubte, war ich längst raus. Ich sah sehr wohl,

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