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Der Gesang der Orcas

Der Gesang der Orcas

Titel: Der Gesang der Orcas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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beugte seinen zu mir herüber. So saßen wir eine Weile still.
    Irgendwann richtete er sich auf und sagte: »Ich hab nicht gedacht, dass es mal so kommen wird.«
    Â»Du meinst, das mit Mama?«
    Â»Ja.«
    Â»Niemand hat das gedacht. Sie selbst am allerwenigsten. Sie wollte so gerne noch bei uns sein.«
    Â»Es tut mir Leid, dass ich so wenig von dir weiß,Sofie«, sagte mein Vater. »Ich war nie da. Auf einmal wird mir klar, wie viel ich verpasst habe.«
    Sollte doch noch ein richtiges Team aus uns werden?, dachte ich. Ob es wohl an Lorraine lag, dass mein Vater plötzlich Verständnis für Dinge zeigte, auf die er sonst mit Ärger reagiert hatte?
    Â»Auf jeden Fall finde ich es schön, dass wir heute hier zusammen am Kap waren«, sagte er.
    Â»Ja«, erwiderte ich. »Das finde ich auch.«
    Papa verschwand am Abend in Lorraines Zimmer. Ich schlich auf Zehenspitzen die Holzstufen hinab und klopfte leise an Javids Tür. Er öffnete und zog mich hinein. »Schön,dass du noch mal kommst, Copper. Ich hatte Sehnsucht nach dir.«
    Hatte er das wirklich gesagt?
    Ich erzählte ihm kurz von meinem Tag und merkte, dass er vollkommen erschöpft war und müde. Aber er lächelte, als er mir zuhörte, und seine Augen glänzten. Dass mein Vater versucht hatte mich aufzuklären, erzählte ich ihm allerdings nicht.
    Â»Hast du morgen Zeit für mich?«, fragte er, als ich meinen Bericht beendet hatte.
    Wollte er mich auf den Arm nehmen? »Ich möchte so gerne Ozette sehen«, sagte ich.
    Â»Da gibt es nicht mehr viel zu sehen«, sagte er. »Du wirst enttäuscht sein.«
    Â»Bestimmt nicht.«
    Javid hob die Schultern. »Na gut. Wir können mit dem Schlauchboot hinfahren, dann ist es nicht so weit.«

18. Kapitel
    D as gute Wetter hielt sich auch noch am folgenden Tag. Mein Vater und Lorraine hatten von einem Vertreter des Stammesrates eine Einladung bekommen, die stammeseigene Fischzuchtanlage zu besichtigen. Sie wollten sich vor Ort die derzeitigen Projekte und dazugehörigen Probleme erklären lassen. Papa fragte gar nicht erst, ob ich ihn und Lorraine begleiten wollte. Dafür war ich ihm sehr dankbar. Die Fischzuchtanlage interessierte mich nicht, und selbst wenn: Javid hatte versprochen mir Ozette zu zeigen!
    Leise, damit die anderen es nicht hören konnten, schmiedeten wir unsere Pläne. Javid schlug vor zunächst einige Zeit am Kanu zu arbeiten und später mit dem Schlauchboot bis zur Ausgrabungsstelle zu fahren. Als mein Vater und Lorraine fort waren, brachen auch wir auf. Javid drückte mir den Autoschlüssel in die Hand. »Hier«, forderte er mich auf. »Heute fährst du.«
    Â»Was?« Verdattert blickte ich ihn an. »Aber ich kann überhaupt nicht Auto fahren.«
    Er grinste breit. »Dann wird’s Zeit, dass du es lernst.«
    Â» Aber … ?«
    Â»Nun mach schon, Copper, es ist wirklich nichts dabei. Der Pickup ist zwar alt, hat aber eine Automatikschaltung. Du kannst gar nichts falsch machen.«
    Mit weichen Knien und zitternden Händen setzte ich mich hinters Steuer. Nachdem Javid den Zündschlüssel umgedreht und die Bremsen gelöst hatte, folgte ich mechanisch seinen Anweisungen. Der Kleinlaster fuhr wie von selbst und ich brauchte bloß noch zu lenken und zu bremsen. Es war kinderleicht und ein euphorisches Gefühl überkam mich, als ich den Pick-up langsam aus Neah Bay herauslenkte.
    Â»Na also!« Javid verschränkte zufrieden die Arme vor der Brust. »Du kannst es doch.«
    Den restlichen Vormittag arbeiteten wir konzentriert an der Bemalung des Kanus. Inzwischen hatten wir beide Routine bekommen und die Arbeit ging uns gut von der Hand. Javid war zufrieden mit dem Tempo, in dem wir vorankamen, obwohl er langsamer arbeitete als ich. Diese Ruhe lag in seinem Blut und machte mich manchmal nervös. Das Fest rückte immer näher und ich bekam langsam Panik, wenn ich sah, wie viel wir noch zu tun hatten. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich Tag und Nacht durchgearbeitet, bis das Kanu fertig war. Aber Javid kannte keine Eile. Er blieb ruhig und gelassen.
    Â»Den ganzen Tag zu arbeiten ist nicht gut«, erklärte er mir. »Man muss den Kopf noch freihaben für andere Dinge, sonst wird die Arbeit zur Qual, und was du tust, wird schlecht. Das bringt gar nichts.«
    Gegen Mittag hörten wir auf am Kanu zu arbeiten und machten uns mit dem

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