Der Gesang der Orcas

Matratze zurückfallen. »Mein Vater«, sagte er. »Ich habe wieder von ihm geträumt. Er hat gesagt, dass ich Ozette sehen durfte, wäre ein Zeichen, eine machtvolle Vision. Er hat mich gedrängt endlich mein Versprechen zu erfüllen.«
    Â»Welches Versprechen?«
    Â»Ein guter Walfänger zu werden«, drangen seine Worte aus der Dunkelheit zu mir.
    Â»Hast du ihm das denn versprochen?«
    Â»Ja«, flüsterte Javid. »Als ich noch klein war und ihn vorbehaltlos bewunderte. Er hat mir die alten Geschichten seiner Vorfahren erzählt, die alle Walfänger waren. Und er sagte mir, dass ich sein ganzer Stolz wäre und die Linie fortsetzen müsse, damit unser Volk weiterbestehen könne.«
    Â»Hast du denn geglaubt, was er sagte?«
    Â»Damals schon.«
    Â»Und heute?«
    Â»Ich weiß nicht.« Seine Stimme war nur noch ein entferntes Flüstern. Die Nacht schwieg. »Manchmal kommt es vor, dass die alte Lebensweise mich ängstigt, einfach, weil ich eine Menge nicht verstehe.«
    Â»Aber niemand zwingt dich einen Wal zu töten, wenn du es gar nicht willst«, sagte ich voller Überzeugung.
    Â»Vielleicht hast du Recht. Trotzdem komme ich mir wie ein Verräter vor.«
    Â»Ich kann dir gar nicht helfen, oder?«, fragte ich traurig.
    Â»Ich fürchte, nein. Weil du bald wieder weg sein wirst, Copper. Dann muss ich in meiner Welt allein zurechtkommen.«
    Â»Und ich in meiner«, sagte ich.

23. Kapitel
    E in dröhnendes, ohrenbetäubendes Knattern dicht über der Hütte riss uns am Morgen aus dem Schlaf. Wir schreckten gleichzeitig nach oben und sahen uns mit weit aufgerissenen Augen an. Noch ehe ich begriff, was überhaupt los war, rüttelte jemand an der Tür.
    Â»Hallo, ist da jemand?«, fragte eine Männerstimme.
    Javid sprang mit einem gewaltigen Satz von der Schlafstelle. Mit wenigen Schritten war er an der Tür und schob den Riegel zurück. Ein junger Parkranger in braungrüner Uniform trat in die Hütte und musterte Javid von oben bis unten. »Bist du Javid Ahdunko?«, fragte er.
    Â» Ja, der bin ich.«
    Der Ranger warf einen Blick an Javid vorbei in die Hütte und registrierte meine Anwesenheit. Ich zog mir die Decke unters Kinn.
    Â» Jemand verletzt?«
    Â»Nein«, antwortete Javid. »Wir sind okay.«
    Der Uniformierte zückte sein Sprechfunkgerät und machte eine Durchsage. » Hier ist Hank Moran von der Ozette-Rangerstation. Ja, ich habe sie gefunden, den Jungen und das Mädchen. Es geht ihnen gut, niemand ist verletzt. Sie haben die Nacht in der alten Jagdhütte verbracht. Okay, ich bringe sie zurück. Over.«
    Hank grinste mich an und packte seinen Rucksack auf den alten Holztisch. »Bestimmt habt ihr Hunger?«, fragte er, sichtlich erleichtert uns gefunden zu haben. »Das war ein nettes Unwetter heute Nacht und eure Eltern haben sich mächtig Sorgen gemacht.«
    Während der Ranger ein Paket Sandwichs auspackte und eine Thermoskanne mit heißem Tee, schlüpften Javid und ich in unsere Sachen. Der Schreck saß mir noch so in den Gliedern, dass ich kein Wort hervorbrachte, während es in Javids Hirn vermutlich schon gewaltig arbeitete.
    Â»Woher wussten Sie, dass wir hier sein könnten?«, fragte er Hank.
    Â»Der Hubschrauberpilot hat das Schlauchboot am Ufer gesehen und da lag die Möglichkeit nahe, dass ihr es bis in die Hütte geschafft habt. Sehr vernünftig von euch, nicht durch den Wald zu laufen. Da sind heute Nacht einige Bäume umgestürzt.«
    Javid warf mir einen »Siehst-du-Blick« zu. »Wieso haben Sie uns gleich mit einem Hubschrauber suchen lassen?«, wollte er von Hank wissen. »Das war doch bestimmt die Idee von Mr Tanner.«
    Der Parkranger reichte mir ein Sandwich und einen Becher mit dampfendem Pfefferminztee. Aufmunternd nickte er mir zu. »Nein, keine Angst, der Hubschrauber war nicht euretwegen unterwegs. Er ist im Einsatz, weil heute Nacht vor der Küste ein chinesischer Tanker mit einem Frachtschiff kollidiert ist. Das Schlimmste konnte vorerst verhindert werden, aber aus dem Frachter sind fast 4 000 Liter Altöl ausgelaufen, die sich nun auf die Küste hier zubewegen.«
    Javid, der inzwischen auch ein Sandwich in sich hineinschlang, hörte auf zu kauen. »Was sagen Sie da?«
    Â»Du hast schon richtig gehört«, meinte der Mann. »Wenn kein Wunder geschieht, haben wir in ein paar Tagen