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Der Gesang der Orcas

Der Gesang der Orcas

Titel: Der Gesang der Orcas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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belügt sie sich nicht selbst.«
    Auf diese Weise erfuhr ich, was Javid über mich dachte. Papa starrte ihn mit offenem Mund an, als frage er sich, ob er richtig verstanden hatte. Schon wollte er wieder loswettern, da nahm Lorraine ihn am Arm und sagte: »Die beiden sind ganz erschöpft, Frank, sie haben sicher eine schlaflose Nacht hinter sich. Lass sie doch erst einmal zur Besinnung kommen.«
    Mein Vater ließ seine Arme sinken wie zwei lahme Flügel.
    Â»Okay«, sagte er schließlich. »Fahren wir erst einmal nach Hause. Über alles andere reden wir dann später.«
    Nur widerwillig stieg Javid in das Auto meines Vaters und ich konnte seine Verachtung richtig spüren. Dass es so kommen würde, hatte ich nicht gewollt.
    Während der Fahrt zurück nach Neah Bay, es waren ungefähr 30 Meilen, saßen Javid und ich jeder in seiner Ecke auf dem Rücksitz. Wir schauten einander verstohlen an, wenn wir dachten, dass der andere gerade nicht herübersah. Es fielen keine Worte mehr.
    Ich hätte Javid gerne berührt, wenigstens seine Hand gehalten, aber die angespannte Stimmung im Wagen ließ das nicht zu. Ich malte mir aus, welche neuen Regeln dieses Ereignis für mich nach sich ziehen würde, und fragte mich, ob mein Vater es fertig bringen würde, mir den Umgang mit Javid zu verbieten. Ich war schließlich erst fünfzehn, und wenn er es von mir verlangte, würde ich ihn auf seinen Fototouren begleiten müssen.
    Weil ich so sehr mit mir selbst und Javid beschäftigt war, wurde mir erst kurz vor Neah Bay bewusst, dass sich zwischen Lorraine und meinem Vater etwas verändert hatte. Da war eine seltsame Vertrautheit zwischen ihnen, die nur ich bemerken konnte.
    Seltsamerweise war ich nicht einmal sauer, auch nicht enttäuscht oder gekränkt. Ich fühlte gar nichts dergleichen. Es war mir egal. Er hatte Angst um mich gehabt und sich von einer schönen Frau trösten lassen. Dass er wie alle anderen Männer war, konnte ich ihm nicht zum Vorwurf machen.
    Und außerdem hatte ich andere Sorgen.
    Ein Ölteppich bewegte sich auf die Küste zu, ausgerechnet im bevorzugten Jagdgebiet unserer Orcaschule. Wir mussten versuchen sie irgendwie zu vertreiben, ehe sie Schaden nehmen konnten. Wenn es dafür nicht schon zu spät war. Fieberhaft grübelte ich darüber nach, was wir unternehmen konnten, um unsere Freunde zu retten.
    Freda Ahdunko kam aus ihrem kleinen Büro gelaufen, als wir aus dem Auto stiegen.Sie umarmte zuerst mich mit vertrauter Herzlichkeit und dann ihren Sohn, was Javid sichtlich peinlich war. Nicht der kleinste Vorwurf kam aus ihrem Mund. Das wunderte mich nicht, denn ich hatte nichts anderes erwartet.
    Freda hatte einen kleinen Imbiss vorbereitet und so saßen wir nun alle zusammen in dem kleinen Aufenthaltsraum. Sie bat Javid darum, ihr zu erzählen, wie alles gekommen war. Seinem missmutigen Gesicht nach zu urteilen, wäre Javid am liebsten gleich in seinem Zimmer verschwunden, aber er respektierte die Bitte seiner Mutter. Mit knappen Worten berichtete er ihr, was geschehen war, wobei er alles ausließ,was Anlass zu noch mehr Besorgnis geben könnte. Kein Wort von aufgepeitschten grünen Brechern, klatschnassen Kleidern, dem kaputten Boot und unserem knappen Entkommen. Keine Silbe von Sisiutl, dem Ungeheuer des Meeres, von Kupferfrau und der alten Siedlung Ozette, die uns im Licht der Blitze erschienen war. Danach ging er, ohne mit uns zu essen.
    Wenig später stand ich allein mit Papa in meinem Zimmer. Seine Erleichterung über meine Unversehrtheit war längst überlagert vom Ärger über meinen Ungehorsam und Javids fehlende Reue. Wahrscheinlich hatte Papa gedacht, Javid Ahdunko würde sich bei ihm tausendmal entschuldigen und um Verzeihung bitten. Stattdessen hatte er es nur ein einziges Mal getan. Im Stillen bewunderte ich seine Würde.
    Â»Du wolltest, dass ich dir vertraue und dich respektiere«, sagte mein Vater aufgebracht, »und wir hatten eine Abmachung. Du hast sie nicht eingehalten, Sofie, und beinahe hättest du diesen Leichtsinn mit deinem Leben bezahlt.«
    Â»Es tut mir Leid«, sagte ich, »wirklich. Es tut mir Leid, dass ich dir etwas verschwiegen habe, aber es war mir wichtig, Papa. Ich musste die Wale einfach sehen, weil ich solche Sehnsucht nach ihnen hatte. Und im Gegensatz zu dir waren sie erreichbar für mich.«
    Keine Ahnung, warum ich das sagte, auch wenn

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