Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gesang der Orcas

Der Gesang der Orcas

Titel: Der Gesang der Orcas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
Vom Netzwerk:
Flötenstunden nehmen.
    Alles würde genauso weitergehen wie vor dieser Reise nach Neah Bay, aber ich würde nicht mehr dieselbe sein. Ich hatte Sisiutl in die Augen geblickt und Magie geschenkt bekommen.
    Diese Magie spürte ich tatsächlich in mir. Auch wenn ich daran zweifelte, dass ich sie von einem Meeresungeheuer bekommen hatte. Viel eher glaubte ich daran, dass die Liebe dafür verantwortlich war. Die Liebe hielt ich für mächtiger als jedes Ungeheuer.
    Das Kreischen von Motorsägen schreckte mich aus meinen Gedanken. Einige Parkranger hatten mit den Aufräumungsarbeiten am Plankensteg begonnen. Grinsend machten sie uns den Weg frei und wechselten ein paar Worte mit Hank, der ihnen sagte, wie viel Arbeit noch auf sie wartete.
    Wir erreichten schließlich die Rangerstation von Ozette, einen flachen Bau im Blockhausstil. Auf dem Parkplatz sah ich unseren roten Chevrolet stehen und wappnete mich gegen das Donnerwetter, das gleich auf mich niedergehen würde.

24. Kapitel
    M ein Vater, der drinnen von einer netten Beamtin einen Kaffee bekommen hatte, während er wartete, kam auf uns zugestürzt. Er umarmte mich kräftig, drückte mich so fest, dass ich bald keine Luft mehr bekam. Dabei hörte ich Schluchzer in ihm aufsteigen, die er aber zu unterdrücken versuchte, als müsse er sich dafür schämen. Als er mich auf Armeslänge von sich streckte,sah ich, dass er unendlich froh war mich heil wiederzuhaben. Er sah müde aus, vermutlich hatte er die ganze Nacht nicht geschlafen.
    Mit einem Mal bekam ich ein furchtbar schlechtes Gewissen.
    Â»Bist du in Ordnung Sofie?« Seine Stimme überraschte mich. Sie klang sanft und besorgt, wo ich doch harte Vorwürfe erwartet hatte.
    Â»Ich bin okay«, antwortete ich mechanisch.
    Lorraine kam aus dem Office der Rangerstation und im gleichen Moment bemerkte ich, dass Papa sich Javid zuwandte. Vielleicht war ich im Augenblick von seinem Ärger verschont geblieben, aber Javid würde er nicht einfach so davonkommen lassen, dafür kannte ich meinen Vater zu gut. Dass er mit mir in einem winzigen Schlauchboot auf den wilden Pazifik hinausgefahren war, sich mitten unter die Killerwale gewagt und dabei noch einen nahenden Sturm übersehen hatte, so viele Fehler würde mein Vater ihm nie verzeihen.
    Mit einem Schritt war ich an Javids Seite. Ich schob meine Hand in seine und er hielt sich daran fest.
    Â»Es tut mir Leid, Mr Tanner«, kam Javid meinem Vater zuvor. »Ich hätte sehen müssen, dass ein Sturm aufzieht, und eher umkehren. Dann hätten wir es vielleicht bis in die Siedlung Waatch zurückgeschafft und Sie hätten sich nicht solche Sorgen um ihre Tochter machen müssen.«
    Mein Vater machte eine aggressive Bewegung auf Javid zu und ich stellte mich flugs vor ihn. »Ich konnte dir nicht sagen, dass wir rausfahren, um die Wale zu beobachten, weil du es mir sonst nicht erlaubt hättest«, sagte ich schnell. »Javid wollte mich gar nicht mitnehmen, ich musste ihn erst dazu überreden. Wenn du sauer bist, dann schimpfe mit mir.«
    Mein Vater holte tief Luft und Wut blitzte kurz in seinen Augen auf. »Ich kann dich nicht verantwortlich machen«, schrie er mich an, »weil du dir der Gefahr überhaupt nicht bewusst warst.« Er stach mit dem Finger nach Javid, der mich unsanft zur Seite schob und nun meinem Vater wieder direkt gegenüberstand. »Aber er musste es wissen. Er ist hier aufgewachsen und weiß sehr wohl, wie plötzlich das Wetter umschlagen und aus dem friedlichen Pazifik ein Ungeheuer werden kann. Er hat es gewusst und ist trotzdem mit dir da rausgefahren.«
    Javid, der – wie er mir später erzählte – noch nie in seinem Leben angeschrieen worden war, schwieg mit zusammengekniffenen Lippen. Sein Gesicht war eine starre Maske. Doch inzwischen kannte ich ihn ganz gut. Die weißen Funken,die in seinen Augen glommen, waren diesmal Ausdruck seines Zorns.
    Â»Was hast du dir bloß dabei gedacht, meine Tochter derart in Gefahr zu bringen?«, donnerte ihn mein Vater aufgebracht an.
    Â»Hör auf, Papa!«, sagte ich gequält.
    Â»Ich wollte nicht, dass Sofie was passiert«, erwiderte Javid mit bemerkenswerter Ruhe. »Und ihr kann auch gar nichts passieren, weil sie viel stärker ist, als Sie vielleicht glauben, Mr Tanner. Sofie hat Respekt vor den Dingen, die sie nicht kennt oder nicht versteht. Aber sie hat keine Angst und vor allem

Weitere Kostenlose Bücher