Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gesang des Blutes

Der Gesang des Blutes

Titel: Der Gesang des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
Vom Netzwerk:
verließ sich auf ihn. Sollte es dort oben in der Hütte zu einer brenzligen Situation kommen, waren seine Instinkte und Reflexe gefragt. Auf Sven konnte er nicht bauen. Er taugte als Informant und Handlanger, zu mehr aber nicht. Ihn mitzuschleppen war ein Risiko, das Robert normalerweise nicht einging. Aber es war Svens Idee, er wusste, wo die Hütte lag, also hatte er ein Recht, dabei zu sein.
    Sven schaltete das Deckenlicht ein und beugte sich über die Karte. «Wir sind gleich da.»
    «Bist du sicher?»
    «Absolut. Am Ende dieser Steigung muss ein Parkplatz liegen. Von dort aus müssen wir zu Fuß weiter.»
    «Wann bist du das letzte Mal hier gewesen?»
    «Keine Ahnung, liegt schon einige Jahre zurück. Ich hab aber alles im Kopf. Und Eric hat mir erst vor zwei Monaten gesagt, dass sie die Hütte immer noch als Unterschlupf nutzen.»
    Sie erreichten die Kuppe des Berges. Der Wald zog sich von der Straße zurück und gab den Blick nach oben frei. Am klaren Nachthimmel glitzerten Milliarden Sterne.
    «Da, da ist der Parkplatz!»
    Robert war einen Augenblick von dem berauschenden Anblick über sich abgelenkt gewesen. Er trat auf die Bremse und zog das Lenkrad herum. Die Reifen des BMW verließen den Asphalt und zogen eine Spur in den Schotter des Parkplatzes. Er ließ den Wagen vor einem niedrigen Zaun ausrollen und stellte den Motor ab. Mit ihm erloschen die Scheinwerfer und die Beleuchtung der Armaturen. Sie warteten, bis ihre Augen sich an die völlige Dunkelheit gewöhnt hatten.
    Als sie den Wald in den wenigen Einzelheiten erkennen konnten, die die Nacht bereit war ihnen zu zeigen, stiegen sie aus. Robert drückte die Tür leise zu, drehte sich um und blinzelte in die Finsternis. Sie befanden sich auf beinahe neunhundert Meter über dem Meer; ein stetiger, kühler Wind rauschte durch die Wipfel der Tannen. Die Welt hier oben war voller fremder Geräusche. Es knackte und scharrte, heulte und ziepte, flatterte und rauschte. Mit einem Griff unter seine schwarze Jacke überzeugte Robert sich davon, dass die Waffen noch da waren. Dann ging er auf dem knirschenden Schotter des Parkplatzes ein paar Schritte auf den Wald zu und entleerte seine Blase. Der Waldrand bewegte sich im Wind. Vor ihm rumorte etwas im Unterholz. Robert beeilte sich. Auf dem Rückweg zum Wagen drehte er sich zweimal um, weil er glaubte, das Etwas aus dem Unterholz würde ihm folgen.
    «Nervös?», fragte Sven. Das Sternenlicht reichte aus, seine Gesichtszüge zu erkennen. Sie waren angespannt und weit weniger feminin als sonst.
    «Ich bin immer nervös vor solchen Sachen.»
    «Vielleicht liegt es auch an Radduk!»
    Robert zuckte mit den Schultern und öffnete den Kofferraum. Das matte Licht der kleinen Glühbirne fiel auf zwei silberne Metallkoffer, wie sie Fotografen, Piloten oder Killer in Hollywoodfilmen benutzten. Robert klappte den ersten Koffer auf.
    «Was ist das?», fragte Sven.
    «Ein Richtmikrophon.» Robert nahm das Gerät aus den ausgeschäumten Lagerflächen und legte es in einen schwarzen Rucksack.
    «Wow», machte Sven. «Du bist ja erstklassig ausgestattet. Fehlt nur noch ein Nachtsichtgerät.»
    Robert klappte den zweiten Koffer auf, und Sven pfiff leise durch die Zähne. «Sieht aus wie Armeebestand.»
    «Ist es auch. Aber von den Amerikanern. Ein Star-Tron. Ist wesentlich besser ausgestattet als die deutschen Geräte. Mit diesem Teil lässt sich das Restlicht fünfundachtzigtausendfach verstärken.»
    «Du magst keine Überraschungen, was?»
    «So ist es.»
    Robert packte auch das Star-Tron in den Rucksack, schulterte ihn und schlug den Kofferraum zu. Dann ging er noch einmal zur Fahrertür und kramte aus dem Seitenfach zwei Snickers. Eines warf es Sven zu, dann schloss er den Wagen ab und legte den Schlüssel in die Innenseite des Vorderreifens.
    Kauend gingen sie nebeneinander auf den schwarz aufragenden Wald zu. Immer noch knackte und scharrte es im Unterholz.

    Der Weg führte über einige Anhöhen in ein schmales Tal und endete an einer Holzschranke. Als Robert seine Hände darauf legte, konnte er fühlen, wie alt, feucht und modrig der unbehandelte Stamm war. Für ein paar Sekunden standen sie einfach da und lauschten. Robert war verschwitzt und außer Atem.
    «Ist sie hier?», fragte er schließlich und deutete mit dem Kinn nach vorn. Auf der anderen Seite der Schranke verlor sich der Weg im Dunkel.
    «Ja, ganz sicher. Diese Schranke kenne ich.» Sven sprach stockend. Auch ihn hatte der schnelle Marsch

Weitere Kostenlose Bücher