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Der Gesang des Blutes

Der Gesang des Blutes

Titel: Der Gesang des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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holte er sein Messer aus der Scheide am Gürtel, zog sich an den Kabeln erneut hoch und schnitt sie durch. Schweiß brannte in seinen Augen, als er unter dem Pajero hervorkroch.
    «Alles klar?»
    Sven nickte. Mit dem Star-Tron vor Augen wirkte er wie ein Humanoid aus einem billigen Science-Fiction-Streifen. Robert nahm das Richtmikrophon aus dem Rucksack. Wie den Lauf eines Gewehres richtete er den hochsensiblen Empfänger auf die Hütte, stülpte sich den Kopfhörer über und schaltete das Gerät ein. Zunächst hört er gar nichts. Erst als er gefühlvoll an dem Rädchen für die Lautstärke drehte, wurde aus dem statischen Rauschen ein geheimnisvolles Wispern, das direkt aus dem Jenseits zu kommen schien. Schließlich drang eine Vielzahl von Geräuschen an seine Ohren: Gesprächsfetzen, Musik, anderes, das er nicht identifizieren konnte. Robert lauschte einige Minuten. Bei den Geräuschen konnte es sich um ein Radio oder einen Fernseher handeln. Letzterer würde das fahlblaue, flackernde Licht erklären. Allerdings war es ihm dank dieser Kakophonie nicht möglich, zweifelsfrei zu klären, ob sich mehr als eine Person in der Hütte aufhielt. Das war nicht gut, ließ sich aber nicht ändern.
    Er nahm den Kopfhörer ab und bedeutete Sven mit einer ruhigen Bewegung seiner Hand, hinter dem Pajero in Deckung zu gehen. Sie hockten sich neben den Hinterreifen.
    «Hast du was gehört?»
    «Wahrscheinlich läuft drinnen ein Fernseher, aber ich weiß es nicht genau. Möglich, dass mehr als nur eine Person in der Hütte ist. Wir müssen das Risiko eingehen.»
    «Und wie kommen wir hinein? Anklopfen?» Sven kicherte hysterisch.
    Robert schüttelte den Kopf. «Wir werden ihn rauslocken. Du bleibst dicht hinter mir und tust genau, was ich dir sage. Verstanden?»
    «Verstanden.»
    «Gut, dann die Masken auf.»
    Beide zogen sich schwarze, gestrickte Skimützen über den Kopf und verließen ihr Versteck. Keine zehn Meter entfernt, und auch ohne Nachtsichtgerät zu erkennen, befand sich der Hackklotz und das sauber aufgestapelte Brennholz. Robert ging vor, nahm einen Holzscheit von einem niedrigen Stapel und wog ihn in der Hand. Dann legte er drei davon in die Beuge seines Armes und schlich von Sven gefolgt zum Waldrand zurück. Dort nahm er einen Holzscheit in die rechte Hand, schätzte die Entfernung, holte weit aus und warf.
    Mit einem in der nächtlichen Stille ohrenbetäubend hallenden Krachen knallte der Scheit gegen den Schornstein, schlug auf den Tonpfannen des Daches auf, polterte die Schräge herunter und fiel dumpf ins Gras. Schnell nahm Robert einen weiteren und warf ihn hinterher. Dieser schlug direkt auf dem Dach auf, was noch lauter war. Eine Minute verging, zwei …
    Robert schwitzte unter der Maske. Er bückte sich nach dem nächsten Scheit, als er plötzlich ein metallisches Scharren hörte. Vorsichtig zogen die beiden sich ins Dickicht zurück. Es vergingen noch einmal zwei Minuten, ehe sich etwas tat. Langsam, äußerst langsam wurde die Tür geöffnet. Das Licht in der Hütte war zuvor gelöscht worden. Nur dank seines Nachtsichtgerätes konnte Robert sehen, wie die Holzbohlentür nach innen gezogen wurde und sich eine Gestalt aus dem Schatten löste. Der Mann musste den Kopf einziehen, seine Schultern füllten den Rahmen aus. Er war gut und gern zwei Meter groß und wog sicherlich weit über hundert Kilo. Die Beschreibung, die Robert von Sven hatte, passte. Sven hatte recht gehabt: Radduk nutzte die Hütte immer noch als Unterschlupf, wenn das Pflaster in der Stadt zu heiß geworden war.
    Radduk hielt eine Waffe in der rechten Hand. Den Umrissen zufolge handelte es sich um einen Trommelrevolver. Robert versuchte sich vorzustellen, was Radduk sah. Es war stockdunkel, er hatte keine Taschenlampe – was konnte er schon sehen? Nichts. Nur den Schatten des Waldes. Um die Ursache der Geräusche herauszufinden, musste er die Hütte verlassen. Genau das tat er auch. Den Revolver am langen Arm trat er vor, blickte sich suchend um und tat genau das, was Robert sich erhofft hatte: Er ging nach rechts, dorthin, wo der Pajero versteckt war.
    Als Radduk hinter der Hütte verschwand, stieß Robert Sven an und spurtete los. Zehn, vielleicht fünfzehn Meter, mehr waren es nicht. Sie erreichten die offene Tür und liefen hinein. Ein einziger großer Raum, kaum Möbel, keine Möglichkeit, sich zu verstecken. Wo war die Toilette, das Bad? Sie hatten keine Zeit, danach zu suchen. Schnell drückten sie sich in das Dreieck hinter der

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