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Der Gesang des Satyrn

Der Gesang des Satyrn

Titel: Der Gesang des Satyrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Fiolka
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jedoch ohne den Anflug einer Anklage in ihrer Stimme. Es war Zeit Phrastor die Krallen in den Nacken zu schlagen, obwohl sie es nicht gerne tat. Er hatte Phano fortgejagt und ihre Mitgift gestohlen, aber mit einem Sterbenden zu spielen konnte die Götter erzürnen. Trotzdem hielt sie gespannt die Luft an, als der Kranke zu einer Antwort ausholte. „Ja, das habe ich gehört ... und ich möchte ihn anerkennen, weil er meinen Namen weiterführen soll und für mich die Opfer an meiner Grabstätte darbringen, wenn ich tot bin.“
    Nein, es war nicht schön mit den Sterbenden zu spielen, die sich davor fürchteten, nach dem Tod einsam zu sein. Wer, wenn nicht sie, hatte im Leben erfahren, was Einsamkeit bedeutete. Doch Neaira hielt sich seine rücksichtslose Härte und die Schmähung Phanos vor Augen. Sie wies Phano an ihr zu helfen, den ungeliebten Mann zu waschen, seine Laken zu wechseln und ihn mit Brühe zu füttern. Phrastors Augen zeigten unendliche Dankbarkeit. „Ich werde alles wieder gut machen, Phano“, gestand er seiner verstoßenen Frau zu.
    Als sie am Abend das Krankenlager verließen und auf die Straße traten, stöhnte Phano gequält. „Wie lange werden wir ihn wohl umschwänzeln müssen, bis er stirbt?“
    Neaira blieb stehen und packte Phano am Arm.
    Obwohl sie selbst dem Leben und den Menschen gegenüber eine große Härte entwickelt hatte, erschreckte sie Phanos Gefühlskälte. „So lange, wie es dauern wird ...
    und ich hoffe für dich, dass er lange genug lebt, seinen Sohn anzuerkennen! Erkennt er Iacchus an, sind alle Zweifel gegen dich ausgeräumt – begreifst du das nicht?“
    Missmutig zog Phano sich in ihre Räume zurück, als sie in Stephanos Haus zurückkehrten, während Neaira Stephanos über Phrastors Befinden unterrichtete. Er war sichtlich zufrieden mit dem, was er hörte, und lobte Neaira für ihre Klugheit, sich Phrastors Krankheit zunutze zu machen.
    „Etwas Besseres hätte überhaupt nicht geschehen können.
    Besucht ihn nur oft, und zeigt ihm seinen Sohn!“
    Neaira nickte stumm – war sie, die schamlose Hure, denn die Einzige, die ein wenig Mitleid mit dem Sterbenden empfinden konnte?
    Sie befolgte Stephanos Rat und brachte Iacchus zu Phrastor, damit er ihn ansehen und in sein Herz schließen konnte. Der Kranke zeigte wenig väterliches Interesse an seinem Sohn, schien aber zumindest beruhigt, dass er einen Erben und Nachkommen gezeugt hatte, der seinen Namen weiterführen konnte.
    Eines Nachts erschien ein panischer Vermittler in Stephanos Haus und rief sie alle aus den Betten. Phrastor ging es schlechter. Er wollte sofort Iacchus sehen, damit er den Knaben unter Zeugen als seinen Sohn würde anerkennen können. Stephanos selber nahm den Jungen aus Phanos Arm und brachte ihn zu seinem Vater.
    Neaira wartete mit Phano die ganze Nacht und empfing erst am Morgen einen müden Stephanos mit einem quengelnden Säugling auf dem Arm. „Er hat den Jungen unter Zeugen als seinen Sohn anerkannt, belässt ihn jedoch in deiner Obhut, weil er zu krank ist, sich um ihn zu kümmern. Iacchus ist nun der Erbe seines Namens und seines Vermögens“, teilte Stephanos seiner Tochter mit, die ihren Sohn mit zufriedenem Lächeln in den Arm nahm und ihn wiegte. Einmal mehr wunderte sich Neaira über die Liebe, die Phano für Iacchus empfinden konnte, wo sie doch allem und jedem ansonsten Gleichgültigkeit entgegenbrachte. Sie empfand jedoch trotz allem Erleichterung, als sie ihre Tochter mit Iacchus sah. Einmal im Leben hatte sie etwas Gutes zustande gebracht und ihrer Tochter helfen können. Müde und glücklich fasste Neaira den Entschluss, Phrastor bis zu seinem Tod zu pflegen, auch wenn seine Großherzigkeit nur seinem Gebrechen zu verdanken war. Sie hatte mit ihm gespielt und den Sieg errungen. Es würde die Götter versöhnlich stimmen, wenn sie Phrastor nicht einfach seinem Schicksal überließ.
    Neaira zwang Phano weiterhin dazu, mit ihr gemeinsam das Krankenlager Phrastors aufzusuchen - auch wenn Phano dafür keine Veranlassung mehr sah. „Er hat Iacchus anerkannt, warum kümmert er dich noch?“
    „Weil es ein Dienst an den Göttern ist“, antwortete Neaira dann und dachte insgeheim, dass die Götter und vor allem Athene gerade sie mit wachsamen Augen beobachteten.
    Phano beschwerte sich immer wieder über den Gestank in Phrastors Gemächern, ekelte sich vor dem ausgezehrten Körper des Kranken und zog sich mürrisch mit ihrem Sohn zurück, wenn sie abends nach Hause

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