Der Gesang des Satyrn
beruhigen, indem sie sie ermahnten an das Kind zu denken. Schwerfällig setzte sie sich auf ihre Schlafkline und bedeutete Neaira mit einer Handbewegung, dass sie verschwinden solle.
Phano gebar ihr Kind einen Mondumlauf später, ein wenig zu früh wie Neaira meinte, die es jedoch dem aufgewühlten Gemüt Phanos zuschrieb. Es war ein Sohn, den Stephanos am Tag seiner Namensgebung Iacchus nannte. Phano liebte diesen Sohn abgöttisch und mochte ihn nicht einmal einer Amme überlassen. Sie sorgte sich um die Zukunft ihres Kindes und bedachte vor allem Neaira mit hasserfüllten Blicken. Neaira, welche die bösen Blicke ihrer Tochter wie Dolche trafen, meinte verrückt zu werden, da sie nicht wusste, wie sie Phano und Iacchus helfen konnte. Die Wogen des Sturmes hatten sich zwar geglättet – Proxenos verhielt sich ruhig – aber Neaira wusste, dass alles nur eine Frage der Zeit war. In diesem Haus gab es keine Sicherheit, keine Ruhe und auch keine Verstecke vor ihrer Vergangenheit – nicht für sie und nicht für ihre Tochter. Phano musste wieder heiraten, um in Sicherheit zu sein.
Der Zufall kam ihr zu Hilfe - oder Aphrodite, wie Neaira meinte. Als Iacchus drei Mondumläufe zählte, kam Stephanos mit dem zufriedenen Grinsen einer satten Katze von der Agora und erzählte Neaira, dass Phrastor schwer am Fieber erkrankt sei und fürchtete bald zu sterben. Die Genugtuung in seiner Stimme war nicht zu überhören, doch Neaira überlegte bereits, wie Phrastors Krankheit Phano nützlich sein könnte. „Bitte rede nicht schlecht über Phrastor, auch wenn es dir schwerfällt.“
„Er ist ein elender Hund, und warum soll ich das nicht offen sagen?“ Obwohl Stephanos unwillig reagierte, versprach er Neaira, sich zurückhaltend zu geben. Sie hatte einen Plan ersonnen, und mit weiblichem Geschick erspürte sie den richtigen Zeitpunkt und wartete, bis Phrastor verzweifelt genug war, da er weder Nachkommen noch eine Gemahlin hatte, die sich um ihn kümmerten.
Erst da schickte Neaira Thratta zu ihm, die in Neairas und Phanos Namen anbot, ihm Arzneien zu schicken und ab und an nach ihm zu sehen. Nach nur kurzer Zeit kehrte Thratta aus Phrastors Haus zurück und teilte Neaira mit, dass Phrastor eingewilligt hätte beide Frauen zu empfangen. Phano reagierte wenig erfreut auf Neairas Ränke, ließ sich jedoch überzeugen mit ihr zu gehen.
„Phrastor hasst seine Verwandten, und jetzt, wo er krank ist, fürchtet er die Einsamkeit“, nörgelte Phano, als sie den überdachten Wagen bestiegen, der sie zu Phrastors Haus bringen sollte.
Der kranke Phrastor lag auf einer Kline, die Haut fahl, der Körper abgemagert vom Fieber. Neaira erschrak und meinte den Mann nicht zu erkennen, der vor über einem Jahresumlauf in Stephanos Haus erschienen war. Zwei Sklaven waren dabei, ihm feuchte Tücher auf seine Stirn zu legen und seinen eingefallenen Leib zu waschen, als Neaira und Phano ihm gemeldet wurden.
„Sie sollen kommen“, vernahm Neaira seine schwache Stimme von der Türschwelle seiner Gemächer aus.
Phrastor war kaum in der Lage, die Hand aus eigener Kraft zu heben. In diesem Augenblick empfand Neaira trotz allem was er getan hatte Mitleid mit ihm. Phano verzog angewidert das Gesicht, als sie des schalen Geruchs abgestandener Luft und Krankheit gewahr wurde. „Bei Zeus, er stinkt wie ein Schwein“, flüsterte sie und hielt sich die Nase zu. Neaira stieß ihre Tochter mit dem Ellebogen in die Rippen, damit sie ihre Gefühle verbarg. Sie lächelte mitleidvoll, als sie an Phrastors Kline herantrat. „Es tut mir 554
leid dich so krank zu sehen“, sprach sie ihn leise an und nahm sogar seine vom Fieberschweiß glitschige Hand in die ihre.
Phrastor deutete ein gequältes Lächeln an. „Der Arzt hat gesagt, dass ich sterben werde. Ich habe Angst, dass es die Strafe der Götter dafür ist, dass ich Phano verstoßen habe.“
Die verstoßene Gattin enthielt sich der bissigen Bemerkung, von der Neaira glaubte, dass sie ihr auf der Zunge lag. Neaira dankte Aphrodite dafür. „Herr, Phano und ich haben dir verziehen, sonst wären wir nicht hier.
Wir bedauern dein Schicksal sehr. Zumal mein Herr Stephanos gesagt hat, dass du deine Verwandten nicht sehen willst.“
„Sie sind gierige Aasgeier, die nur auf meinen Tod warten, um mein schwer erarbeitetes Vermögen zu verprassen“, spie Phrastor aus. „Ihnen gönne ich nichts von meinem Besitz!“
„Du weißt sicherlich, dass du einen Sohn hast, Phrastor.“ Neaira sagte es schnell,
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