Der Gesang des Satyrn
zurückkehrten.
Neaira betrachtete Phano mit Besorgnis. Was ist nur aus der Lebendigkeit ihres Gemüts geworden, ihr Götter? Das Einzige, was Phano zu erfreuen schien, war ihr Sohn. Häufig schickte Neaira Thratta, um Phano Gesellschaft zu leisten.
Aber auch die Sklavin, welche ihr immer nahe gestanden hatte, wollte Phano kaum noch um sich haben. Es schien Neaira, dass der Lebenswille ihrer Tochter sich allein auf Iacchus beschränkte.
An einem Herbsttag stellte Neaira eine Veränderung bei Phrastor fest. Er schwitzte nicht mehr, seine Augen glänzten nicht vom Fieber, und sein Appetit war zurückgekehrt. Hingebungsvoll kaute er auf einem Stück Brot und schloss genüsslich die Augen, als Neaira an seine Kline trat und ihn ungläubig musterte. Phrastor schenkte ihr ein breites Grinsen. „Es geht mir besser, bei den Göttern, ich kann es kaum glauben.“ Dann bat er darum, dass Phano am nächsten Tag seinen Sohn mitbrachte.
Phano kam seinem Wunsch nur missmutig nach, doch schließlich blieb ihr kaum etwas anderes übrig. Der Unwille, das Kind in seine Arme zu legen, stand ihr ins Gesicht geschrieben.
„Er sieht mir bereits ähnlich“, meinte Phrastor stolz, während Phano später zu Neaira meinte: „Den Göttern sei Dank sieht er ihm überhaupt nicht ähnlich. Was für ein fader Mann würde aus Iacchus werden, wenn er seinem Vater ähnelte. Iacchus hat meine Augen, meinen Mund – ich habe ihm Schönheit geschenkt, sein Vater nur den Bürgerstand.“
„Aber alle Schönheit nutzt ihm nichts ohne den Bürgerstand, wobei ihm der Bürgerstand auch ohne Schönheit nützlich wäre“, entgegnete Neaira, während Phano ihre Worte zu überhören schien.
Von diesem Tage an musste Phano Iacchus immer öfter mitbringen, wenn sie Phrastor aufsuchten. Zunächst saß Phrastor bei diesen Besuchen auf Kissen gestützt. Bald jedoch stand er von seiner Kline auf und kam zu Kräften.
Er genas von seiner Krankheit. Sogar Stephanos nannte es ein Wunder der Götter.
An einem kühlen Morgen erschien Phrastor überraschend in Begleitung einer jungen Sklavin in Stephanos Haus und forderte seinen Sohn. Neaira hatte geahnt, dass dies geschehen würde. „Ich werde Phano und Iacchus holen“, sagte sie freundlich. Sie wusste, dass Phano kaum erfreut sein würde.
Phrastor hob ablehnend die Hände. „Nein, ich will nur Iacchus holen, damit er als mein Sohn aufwächst. Ein Junge gehört zu seinem Vater.“
„Das wird Phano das Herz brechen“, herrschte Neaira ihn an. Wie konnte er auch nur daran denken, Phano von Iacchus zu trennen. „Hast du die Freundlichkeit vergessen, die deine Gattin dir entgegen brachte, als du dachtest du würdest bald den Styx überqueren?“
Sein Gesicht lief rot an. Phrastor wand sich wie eine Schlange und schien peinlich berührt ob ihrer Worte, ließ sich jedoch von seinem Wunsch nicht abbringen. „Phano und ich verstanden uns nie besonders gut.“ Er druckste herum und vermied es, Stephanos in die Augen zu schauen.
„Ich werde wieder heiraten. Sie ist eine Athenerin unzweifelhaften Rufes, die Tochter des Satyros, dem ich schon lange freundschaftlich verbunden bin.“
„Dann zeuge mit ihr Kinder und lasse Iacchus bei Phano“, versuchte Neaira ihn zu überreden. „Sie wird es nicht verkraften, wenn du sie von Iacchus trennst.“
Ein gekünsteltes Hüsteln kam über seine Lippen.
Phrastors Augen suchten Stephanos, der sich jedoch nicht anschickte für ihn zu sprechen, obwohl er als Herr des Hauses Neaira mit einem einzigen Wort hätte Einhalt gebieten können. „Ich bin dir wirklich sehr dankbar für deine Hilfe, und natürlich auch Phano. Es ist doch nur gut für sie, wenn sie frei von diesem Kind ist. So wird es leichter sein, sie wieder zu verheiraten.“
„Das ist die Vermessenheit der Männer“, konnte sich Neaira nicht mehr zurückhalten und bedachte Phrastor mit geringschätzendem Blick.
Phrastor, der es nicht gewohnt war von einer Frau in Gegenwart eines anderen Mannes kritisiert zu werden, wandte sich an Stephanos. „Ich lasse mich nicht von deiner Hetäre beleidigen, Stephanos!“
Stephanos ergriff Neairas Hand und drückte sie. „Ich gestehe ihr aber zu, dich zu beleidigen! Sie ist im Herzen viel besser als du es je sein wirst. Ich kann dir Iacchus nicht verweigern. Aber ich heiße dich nicht mehr willkommen in meinem Haus.“
Phrastors Kinn zitterte ob der Beleidigung, aber er änderte seine Meinung nicht. Befehlsgewohnt schickte er Neaira mit seiner Sklavin zu Phano, um
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