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Der Gesang des Satyrn

Der Gesang des Satyrn

Titel: Der Gesang des Satyrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Fiolka
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ein Künstler unabsichtlich seine Farbtöpfe umgestoßen hatte. Nun liefen die Farben ineinander, vermischten sich und bereiteten sich auf Demeters ausgelassenen Tanz vor. Es war ein Abend voller Fülle und satter Zufriedenheit, wie Neaira ihn liebte. Trotzdem gab es Wichtiges zu besprechen, denn Stephanos begann, die Namen der geladenen Gäste aufzuzählen. „Da hätten wir einmal Xenon, einen jüngeren Mann, der sich zu einem hervorragenden Redner entwickelt hat, seit er seinen Bürgerdienst im Heer beendet hat und Narsis, der zwar älter ist, aber gutmütig und genügsam.“
    Schnell schüttelte Neaira den Kopf, während sie mit der Hand gedankenverloren einen Zweig von einem Busch abknickte, um ihn zwischen den Fingern zu drehen. „Ruhig und genügsam war Phrastor auch. Aber ich glaube, dass ein etwas lebhafterer Gatte für Phano besser wäre. Einer, der nicht nur ihren Körper, sondern auch ihren Kopf zu schätzen weiß.“
    „Rotilus wäre ein Mann, der Phano an Lebhaftigkeit gleicht und sich für die Gedanken von Frauen begeistern kann. Allerdings habe ich gehört, dass er bereits seit zwei Jahresumläufen eine anspruchsvolle Hetäre in Athen aushält.“
    Neaira warf den Zweig zwei balzenden Vögeln zu, die unter einem Baum miteinander turtelten, und lächelte ob ihrer Harmonie. „Phano braucht einen Gatten, der ihr Gefühle entgegenbringt und sein Herz nicht zu anderen Frauen trägt.“
    Stephanos kratzte sich am Kinn - ein Zeichen dafür, dass er Neairas Ansprüche für unerfüllbar hielt. „Es kommen noch einige Herren, von denen ich Gutes gehört habe. Lassen wir Phano wählen ... zumindest, bevor wir eine Entscheidung treffen.“
    Schließlich gab Neaira nach. Vielleicht wussten sie ja beide nicht, was für Phano gut und richtig war. Weder sie noch Stephanos schienen die junge Frau wirklich zu verstehen, und je mehr sie sich darum bemühten, desto verschlossener zeigte sich Phano. Sie genossen die restliche Zeit vor dem Eintreffen der Gäste, während der milde Wind das Knistern der Fackeln und die hin und her geworfenen Anweisungen der Sklaven zu ihnen herübertrug. Wäre es doch immer so friedlich , dachte Neaira, dann kehrten sie zurück zum Haus, da sie sich für das Fest ankleiden mussten.
    „Möge Demeter auch im nächsten Jahr die Erde fruchtbar machen“, ertönten die ausgelassenen Stimmen der Gäste durch die Fensteröffnung, hinter der Neaira mit Phano darauf wartete, dass Stephanos sie rufen ließ. Sie trugen beide einen weißen Peplos und die Ährenkränze im Haar, die Thratta und Kokkaline für sie geflochten hatten. Wie erwartet, hatte Phano die Einkleidung teilnahmslos über sich ergehen lassen. Neaira hoffte, dass sich ihre Laune im Laufe des Abends bessern würde. Als Stephanos erschien, um sie in den Garten zur Festtafel zu führen, erhob sich Phano jedoch, ohne dass sie dazu hätte aufgefordert werden müssen.
    „Ihr beide vertretet am heutigen Abend die Göttin Demeter für unsere Gäste. Bitte verhaltet euch angemessen“, wies Stephanos sie an. Neaira ahnte, dass seine Sorge eher Phanos Benehmen galt als ihrem.
    Die Herren, welche an der Festtafel Platz genommen hatten, begrüßten beide Frauen mit Ehrenrufen, wobei sie diese als Göttin Demeter ansprachen, die sich dem Brauch nach beim Opferfest in den Frauen offenbarte. Dies war auch der Grund, weshalb eine ehrbare Frau beim Opferfest für Demeter anwesend sein durfte, ohne ihren Ruf zu verlieren. An diesem Abend waren sie keine Frauen, sondern die Göttin selbst. Stephanos ließ Neaira und Phano zu seiner Rechten und Linken Platz nehmen und sorgte dafür, dass je einer seiner Söhne neben den Frauen Platz nahm. Er zeigte sich gezwungen bemüht, Anstand und Ehrbarkeit zu zeigen, was für Neaira ungewohnt war.
    Zwar hatte sie stets an Stephanos Gastmählern teilgenommen, jedoch war ihr dabei nie eine besonders ehrenvolle Aufgabe zugekommen. Neaira fühlte einmal mehr, dass sie die Rolle einer Ehefrau niemals hätte erfüllen wollen. Was für ein furchtbares Leben mutete sie Phano da zu ... doch was würde aus ihr werden, wenn sie nicht wieder heiratete? Soll sie wie ich ihren Körper verkaufen müssen? Aber war nicht ein Leben an der Seite eines Gatten auch ein furchtbares Schicksal? Ein Blick in die Gesichter der Männer ließ Neaira erkennen, wie alt sie geworden war, denn alle Augen waren auf Phano gerichtet, anstatt wie früher auf ihr zu verharren. Und was geschieht, wenn Phano alt wird? Es würde höchstwahrscheinlich

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