Der Gesang des Satyrn
Sträucher gepflegt als würden die Sklaven täglich jedes Blatt und jeden Grashalm einzeln stutzen. Sie tauchte ihre Hand in das klare Wasser eines Teiches, während Kokkaline eine rote Blüte von einem der Sträucher zupfte und sie Neaira ins Haar steckte. „Das Rot lässt deine Augen leuchten, Herrin.“
Neaira sah Phrynion hinterher, als er ins Haus ging -
ein Gott auf seinem eigenen Olymp. Konnte ein Mensch ohne Makel sein? Als ob Kokkaline ihre Gedanken erraten hätte, flüsterte sie: „Warum hat er bisher nicht geheiratet, Herrin?“
„Warum sollte er heiraten?“, fragte Neaira schärfer als sie beabsichtigt hatte.
Kokkaline beeilte sich, nach den richtigen Worten zu suchen. „Er ist so reich, er sieht sehr gut aus ... findest du es nicht auch zumindest ungewöhnlich, Herrin?“
Neaira schüttelte den Kopf. „Phrynion ist ein ungewöhnlicher Mann, Kokkaline ... soviel ist gewiss.“
Wenn der Garten schon beeindruckte, so war Phrynions Haus ein unerhörtes Beispiel an Verschwendung. Neben seiner Größe hatte er es mit den teuersten Möbeln, Stoffen und Mosaiken ausstatten lassen.
Allein die Pracht des Andron, dessen Klinen für die Gäste mit goldenen und edelsteinbelegten Füßen ausgestattet waren, wäre Zeus würdig gewesen.
„Es ist eine Schwäche von mir, dass ich schöne Dinge besitzen muss. Bescheidenheit ist nichts für mich“, sagte Phrynion leichthin, während er Neaira im Haus herumführte. „Nichts von den Freuden können wir mitnehmen in den Hades, denn dort sind wir nur noch Schatten.“ Er verstummte, und sein Blick wanderte verloren im Raum umher. Es war das erste Mal, dass Neaira etwas anderes als ausgelassene Freude oder gemessene Beherrschung bei Phrynion bemerkte. Kurz darauf lachte er jedoch wieder und zog Neaira überschwänglich in seine Arme. „Alles was ich besitze will ich mit dir teilen. Ab dem heutigen Tag beginnt ein schwelgerisches Leben für uns! Wir können alles haben was wir nur wollen, Neaira – einfach alles!“
Fast betäubt von seiner Großzügigkeit konnte Neaira ihr Glück kaum fassen. Die Götter hatten sie bisher nicht gerade zu ihrem Liebling erklärt – warum taten sie es jetzt?
Schnell verscheuchte sie die trüben Gedanken, die ihr den schönsten Tag des Lebens verderben wollten. Warum nicht?
Hast du nicht genug Schlechtes erlebt, dass es dir jetzt gut gehen soll?
Die Götter sind launisch, doch sie können auch großzügig sein.
Die Frauengemächer, die Neaira schon wegen des Namens zu hassen pflegte, waren nach der Kargheit von Timanoridas Haus wie Honig für ihr Herz, denn sie waren luftig und groß. Neaira bezog sie, ohne dass Phrynion die Tür hinter ihr verschlossen hätte. Sie waren nun ihr persönliches Reich, das sie gestalten konnte, wie es ihr gefiel. Phrynion ermunterte sie sogar, sich in Athen umzusehen und alles zu kaufen, was sie meinte zu brauchen. Neaira setzte sich auf die weich gepolsterte Schlafkline, fuhr mit den Händen über die weichen Decken und schloss die Augen. Sie hatte endlich ein Heim gefunden.
Phrynion kam am Abend zu ihr. Neaira ließ sich in seine Arme fallen, während er ihr den Chiton von den Schultern zog. Da war es wieder, dieses Lodern, dieser fesselnde Blick seiner Augen, dem sie sich nicht entziehen konnte und dem sie sich auch gar nicht entziehen wollte.
Seine Haut duftete nach Moos und den Gewächsen der Nacht, herb und betäubend. Neaira ließ sich von ihm auf die Kline legen und spürte, wie ausgehungert sie nach seiner Leidenschaft war. Es war so einfach, sich ihm vollkommen und rückhaltlos hinzugeben. Das ist sicherlich nicht das Verhalten einer anständigen Frau , mahnte Neaira sich selbst, während Phrynions Zunge zwischen ihre Schenkel fuhr und sie sich unter ihm wand. Doch Phrynion schien sie geradezu aufzufordern, sich hemmungslos zu geben. Als Neaira immer wieder seinen Namen rief, fiel er wie ein hungriger Löwe über sie her. Es war ihr recht - sie wollte nichts weiter als von ihm verschlungen werden, und er machte seine Sache gründlich, ließ nichts von ihr übrig in seiner Gier. Neaira krallte ihre Fingernägel in seinen Rücken. Phrynion biss sie in die Schulter, schlug sich durch ihre Haut in ihr Fleisch und kroch dann in ihr Blut. Neaira war außer sich. Wie Raubtiere sind wir – keine Menschen, nur Fleisch, Hunger und Lust !
Dann lag er neben ihr, sein Körper glänzend vom Schweiß. Phrynion strich ihr über das Haar und flüsterte: „Es war eine lange Zeit, und es kommt
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