Der Gesang von Liebe und Hass
Schmerz ihren Leib. Sie brachte kaum ein Lächeln für den Mann zustande, dachte nur, jetzt beginnt's, und wollte schon zum Haus zurückkehren, aber dort waren an diesem Tag nur ihr Vater und ihre Brüder und Leonor, ihr persönliches Mädchen.
Aber Tante Augusta hatte nichts davon gesagt, daß sie sich Leonor anvertrauen sollte.
Maria Christina ritt also weiter und dachte, vielleicht habe ich auch einfach zu viel Pflaumenkompott gegessen, aber der Schmerz stach viel tiefer zu, ganz und gar nicht in ihrem Magen.
Und dann spürte sie plötzlich unter sich etwas Feuchtes, sah an sich herunter, sah, wie sich das helle Braun ihrer Reithosen zwischen den Beinen rot färbte.
Sie schrie auf vor Schreck, und die Stute nahm das als Zeichen, zu galoppieren und preschte mit ihr in den Wald hinein.
Maria Christina hatte Mühe, das Pferd zu zügeln und endlich anzuhalten. Sie sprang ab und sah, daß auch der Sattel rot verschmiert war. Zwischen ihren Beinen floß Blut, und sie spürte, wie es auch an ihren Schenkeln herabrann.
Ich bin krank, dachte sie, ich sterbe, ich verblute. Schmerzen hatte sie jetzt keine mehr, nur noch ein dumpfes Ziehen zu der Stelle zwischen den Beinen hin, für die sie keinen Namen wußte.
Kaltes Wasser brachte Blut zum Stillstand, das wußte sie, und sie suchte den kleinen Bach, der selbst in heißen Sommern noch länger Wasser führte als alle anderen.
Als sie dort anlangte, zog sie schnell ihre Stiefel aus, dann ihre Hosen. Sie warf die Hosen ins Wasser neben sich, hockte sich dann selbst hinein.
Ihr wurde übel, als sie sah, wie sich das Wasser um sie rosig färbte, obwohl das Wasser so kalt war, daß sie zitterte.
Um sich abzulenken, rieb sie die Flecken aus ihrer Reithose, watete dann ein wenig bachaufwärts ins klare Wasser, zog die Hose hindurch, wrang sie dann aus und breitete sie zum Trocknen aus.
Vorsichtig schob Maria Christina ihre Hand zwischen ihre Beine und sah, daß sie weiterhin blutete, spürte aber auch, daß da eine Öffnung war, von der sie bisher nichts gewußt hatte; sie war in den letzten Tagen ziemlich viel und scharf geritten, und dabei mußte sie sich einfach verletzt haben, eine andere Erklärung gab es nicht.
Sie blieb weiterhin im kalten Wasser hocken, wieder an einer anderen Stelle, wo es vorher klar gewesen war, und wieder färbte es sich rosig um sie.
Sie mußte das Blut stillen, sie mußte das tun, was sie ihren Vater einmal hatte tun sehen: Ein Fremder war auf die Finca gekommen, aus dem Norden, ein Mann mit einem wildzerklüfteten Gesicht, aber kein anderer konnte wie er mit den Stieren umgehen, bis er eines Tages sein Geschick selbst überschätzte und ein Stier mit seinen Hörnern ihm ein Loch in die Brust stieß. Ihr Vater war sofort zur Stelle gewesen, und er hatte dem Mann das Hemd heruntergerissen und es in die tiefe Hornwunde gestopft. Das Bluten hatte aufgehört, und als Dr. Samuel kam, hatte er den Verwundeten retten können, obwohl eine große Ader zerrissen war.
Maria Christina rutschte im Bach zu der Stelle zurück, wo sie ihr Unterzeug abgestreift hatte, knüllte es zu einem festen Ball zusammen und preßte ihn in die Wunde zwischen ihren Beinen.
Es tat schrecklich weh, aber sie biß sich auf die Lippen, denn ein falscher Laut hätte die Stute erschreckt; sie scheute ohnehin leicht. Und wenn das Pferd sie verließ, wie sollte sie dann noch rechtzeitig zurück zur Finca kommen?
Maria Christina reinigte noch ihren Sattel so gut es ging, dann zog sie ihre Reithosen und Stiefel wieder an und ritt nun vorsichtig und langsam zur Finca zurück.
Auf der Veranda stand ihr Vater.
›Wo warst du so lange?‹
Erst jetzt sah sie, daß die Sonne schon untergegangen war und hinter dem Haus die Nacht aufstieg mit ersten kleinen Sternen.
Sie ließ sich vorsichtig aus dem Sattel gleiten, ging vorsichtig auf ihren Vater zu.
›Was ist passiert? Wie siehst du aus, Maria Christina? Deine Kleider sind ja ganz fleckig und der Sattel?‹
Er trat rasch an ihr vorbei, strich über den Sattel und sagte mit kaum erkennbarer Stimme: ›Selbst an der Mähne ist Blut.‹
Sie sah ihren Vater an und sagte: ›Es ist meine Schuld. Ich bin zu schnell geritten. Ich habe mich zwischen den Beinen verletzt.‹
Das Gesicht des Vaters veränderte sich, Scheu las sie in seinen Augen, aber auch etwas anderes, das sie nur als Mitleid deuten konnte.
Er kam zu ihr zurück, nahm sie um die Schulter, aber ganz vorsichtig und führte sie ins Haus. ›Leonor!‹ rief er, und das
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