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Der Gesang von Liebe und Hass

Titel: Der Gesang von Liebe und Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordes Alexandra + Horbach Michael
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Genossen aus der Sowjetunion sitzen und Sandkastenspiele machen, deren Verwirklichung vielleicht gerade noch im Krieg gegen die verhungernden Bauern in Rußland möglich war, hier und heute aber nicht mehr. Nein, an die großen Genossen traut auch ihr euch nicht ran. Und so muß es ein kleiner Genosse sein. Brenski.« Bull spuckte aus, genau gezielt in den Messingnapf, der neben der Tür stand. Das hatte er gelernt in den Tagen, seit er hier eingeliefert worden war.
    »Brenski ist geflohen, das ist eine Tatsache. Er ist ein Deserteur. Und wenn wir ihn finden, kommt er vor ein Kriegsgericht.«
    »Daß ich nicht lache! Als ob ihr euch noch mit Gerichten und Gerichtsverfahren befassen würdet. Ihr braucht ein erpreßtes Geständnis und dann ab zum Genickschuß.«
    »Weshalb bist du eigentlich nach Spanien gekommen?« fragte der jüngere der beiden Polit-Kommissare. Er hatte halb verschleierte Augen wie eine Eidechse, die in der Sonne schläft. Aber er war der gefährlichere der beiden, das hatte McKenzie gleich herausgefunden.
    »Ich habe, wie so viele Leute, einmal im Leben eine große Dummheit begangen. Da gibt es einen amerikanischen Schriftsteller, der heißt Ernest Hemingway, und der hat in New York zur Hilfe für die Republik aufgerufen auf einer Massenversammlung, und ich war zufällig auch da. Der Kerl hat mich so begeistert, daß ich am nächsten Tag auf der ›Pennsylvania‹ angeheuert habe, als Kohlenschipper, um in Europa der Sache der Freiheit, wie Hemingway es nannte, zu dienen. Ich wüßte mal gerne, was dieser Hemingway sagen würde, wenn er uns hier so zuhören könnte.«
    »Halt dein lästerliches Maul. Hemingway ist ein Freund von General Lukasz.«
    »Dann bittet doch den General zum nächsten Nachmittagsplausch mit nach hier.«
    »Der General unterhält sich nicht mit Deserteuren oder mit Freunden von Deserteuren.«
    McKenzie blickte in die Eidechsenaugen und sagte dann langsam: »Ich bin kein Freund eines Deserteurs, und ich kenne auch keinen Deserteur. Und nun ab durch die Mitte.«
    Er zerrte an der Klingelschnur, und es hallte laut durch den Flur.
    Die beiden Gestapotypen sahen sich an. Sie standen zur gleichen Zeit auf, als die Krankenschwester erschien.
    »Was tun Sie denn noch hier?« fragte sie, eine resolute Frau Anfang der Fünfzig, kräftig wie ein Mann, mit einem jovialen Kinn, aber scharfen Augen und einer scharfen Zunge.
    »Wir haben unseren Besuch beendet.«
    »Wenn Sie mir den Patienten noch mal so aufregen wie gestern, dann lasse ich den Oberstarzt mit dem General telefonieren.«
    »Das wird nicht nötig sein. Unsere Besuche sind beendet.«
    Aus reiner Langeweile aß McKenzie am Abend von den Pralinen, die ihm die beiden mitgebracht hatten.
    Aus ihm würden sie nichts herauskriegen. Natürlich hatte er gesehen, wie Brenski abgehauen war, aber das war zu einer Zeit, da sich keine Maus mehr auf der Seite der Internacionales regte.
    Recht hatte er.
    Und ich beide Beine weg.
    Er schaute auf die Stümpfe, und er dachte an Phyllis, die in New York auf ihn wartete.
    Sie würde vergebens warten, denn wie er auch aus diesem Schlamassel rauskam, ohne Beine würde er nicht zu Phyllis zurückkehren.
    Er aß die dritte der Pralinen, und da wußte er mit einemmal, woher der schlechte Geschmack in seinem Mund kam.
    Nein, wollte er schreien, ich will auch ohne Beine leben. Nein!
    Er tastete nach der Klingelschnur, aber seine Hand bewegte sich nicht.
    Er wollte sich aufrichten, aber er konnte es nicht. Er sah, wie etwas Graues durch das Fenster zu ihm ins Zimmer stieg, ihm ein schwarzes Tuch über das Gesicht legte und ihn mit seinem ekelerregenden Atem anfauchte.
    Das ist es.
    So ist der Tod.
    Und dann war alles Glanz, eine tiefe, goldene Sonne über dem Hudson River, und danach war alles vorbei.
    Er wurde am nächsten Tag begraben. Auf dem Totenschein stand: »Herzversagen nach Doppelamputation der Beine.«
    Die Akte ›Brenski, Paul‹ wurde an das Generalstabsquartier des Korps in Barcelona weitergegeben. Von dort aus wurde ein Fahndungsbefehl an alle Feldpolizei-Stellen der Republikanischen Armee und der Roten Milizen erlassen. Brenski war gefangenzunehmen oder, wenn er Widerstand leistete, auf der Stelle zu erschießen.

15.
    Die Soldaten der Spanischen Fremdenlegion hatten die Marokkaner entwaffnet. Ihre Gewehre waren zu Pyramiden zusammengestellt worden, und die Marokkaner selbst waren angetreten wie auf dem Exerzierplatz. Über ihnen ragten die Ruinen des Klosters Santa Maria de la Sierra in

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