Der Gesang von Liebe und Hass
eines Tages sagte Louisa zu mir: ›Weißt du, daß du blind bist, Elena?‹ und ich fragte: ›Warum?‹ und sie sagte: ›Fernando liebt dich.‹ Und ich bekam kein Wort heraus, ich dachte, mein Herz bleibt stehen.
›Wenn du ihm nur ein kleines Zeichen geben würdest, daß du ihn auch lieb hast, würde er sich bestimmt erklären.‹
›Was würde er mir erklären?‹
Da lachte Louisa hell auf und sagte: ›Dummkopf, daß er dich heiraten will, natürlich. Aber du bist ja immer so abweisend, du schaust ihn ja nicht einmal richtig an.‹
An dem Abend, als wir alle um den Eßtisch saßen, schaute ich ihn richtig an, und er mußte sehen, daß meine Augen ihn liebten und mein Mund und mein ganzer Körper, und daß er mich nicht einmal hätte heiraten brauchen, um mich zu haben. Und er spürte es, denn nach dem Kaffee sagte er: ›Elena und ich machen noch einen kleinen Spaziergang im Garten.‹ Wir gingen mindestens zwanzigmal um die Kastanie herum, immer herum, herum, herum, und dann blieb er plötzlich stehen und fragte: ›Elena, willst du mich heiraten?‹ und weil ich nichts antwortete – das konnte ich einfach nicht –, sagte er: ›Bitte, heirate mich, ich liebe dich von ganzem Herzen.‹ Und immer noch konnte ich nichts sagen, aber mein Körper kümmerte sich nicht länger darum, meine Arme hoben sich wie von allein und schlangen sich um seinen Hals, und mein Mund preßte sich auf seine Lippen. Einen Monat später heirateten wir, meine Mutter bekam einen Weinkrampf in der Kirche vor lauter Glück, und meine Geschwister mußten sie hinausführen, damit sie den Segen des Priesters nicht übertönte. Und der Segen blieb uns nur zwei Jahre lang erhalten, dann verlor ich mein erstes Kind, und bei einer Messerstecherei, zu der Fernando gerufen wurde, erstachen ihn die Kumpane dessen, den er nicht hatte retten können. Louisa verlor darüber den Verstand, meine Mutter zog zu uns ins Haus, und wir wechselten uns in ihrer Pflege ab, denn in ein Heim geben wollten wir sie nicht. Das taten dann Verwandte von ihr aus Madrid, die kamen, um das Erbe Fernandos anzutreten. Wir wußten uns nicht zu wehren und ließen uns aus dem Haus jagen.
Ja, siehst du, auch ich wäre fast einmal eine Dame geworden, wie du es bist. Aber Märchen sind flüchtig wie Träume, und man sollte sie einfach vergessen. Nur, wie kann ich das, ich habe es doch selbst erlebt.«
»Und die Erinnerung wärmt dich heute noch.«
»Ja, die Erinnerung wärmt mich heute noch. Ich habe nie wieder geheiratet. Ich habe mit Männern geschlafen, natürlich, mein Körper verlangte ja danach, und ich habe auch Kinder bekommen, Söhne und eine Tochter. Meine Tochter ist tot, das weißt du ja, aber Fernando, mein letzter Sohn, lebt, und er wird weiterleben, und ich habe ihn gelehrt, was ich von meinem Fernando erfahren hatte, daß man die Menschen lieben und daß man ihnen helfen soll, ihre Freiheit zu finden. Dafür kämpft er, und deswegen bin ich stolz auf ihn.« Sie stand auf und trat in die Tür der Blockhütte. »Fernando!« rief sie. El Corazón kam aus dem nahen Unterholz, wo er und seine Männer wie in einem schützenden Halbkreis wachsam um die Blockhütte lagerten.
»Schau ihn dir an«, sagte die alte Frau über die Schulter hinweg, »ist nicht ein prächtiger Bursche aus ihm geworden?«
»Das kann man wohl sagen«, sagte Maria Christina und lachte.
»Mama Elena«, sagte der rothaarige Riese, und es klang hilflos wie von einem kleinen Jungen, »du machst dich lustig über mich.«
»Nein«, sagte die alte Frau. »Ich habe dieser jungen Frau nur ein bißchen von unserem Spanien erzählt, das sie noch nicht kennt.« Dann kehrte sie ihrem Sohn den Rücken zu, trat an den Tisch und begann, aus dem nun geschmeidigen Teig runde Brotlaibe zu formen.
17.
Die beiden Spähtrupps kehrten nach dem Mittag zurück. Sie waren vier Stunden unterwegs gewesen, der eine Trupp nach Süden und Osten auskundschaftend, der andere nach Westen und Norden. Die Männer waren müde, und sie warfen sich im Schatten der Bäume hin.
»Wasser!« rief das Frettchen. »Mir trocknen die Cojones aus.«
Eduardo erstattete El Corazón Bericht.
Sie waren praktisch von allen Seiten von Nacionales eingeschlossen, die sich auf dem Marsch nach Osten befanden. Aber es zeichneten sich schon Lücken im Westen ab, wo die Partisanen hin wollten, um die wichtige Eisenbahnlinie Burgos-Madrid zu sprengen und das Ausbildungslager bei Alcacete zu überfallen.
»Wir haben schon den Troß
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