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Der Gesang von Liebe und Hass

Titel: Der Gesang von Liebe und Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordes Alexandra + Horbach Michael
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fast so.«
    »Einen Zirkus hast du«, sagte Brenski noch einmal und lächelte El Corazón an.
    »Sí. Und jetzt ist er vollständig. Ein Alemán, der statt Goethe zu zitieren Messer werfen kann, und eine Nonne, die Judo und Karate gelernt hat.« Er schüttelte den Kopf. »Welch eine verrückte Welt.«
    Aus dem Wald erklang dreimal hintereinander der Ruf des Kuckucks.
    Auf der Lichtung wurde es schlagartig still.
    Noch einmal erklang der dreimalige Ruf.
    »Los«, zischte El Corazón. »Alles in die Stellungen.«
    Sie hatten Schützenlöcher ausgehoben, die mit Zweigen getarnt waren, und Brenski war mit einemmal wieder mit Maria Christina vereint, die flink wie ein Rehkitz zu ihm gesprungen war.
    Wie ein Wiesel erschien plötzlich Felicio. Er warf sich zu El Corazón in das Schützenloch. Brenski konnte nicht verstehen, was sie miteinander flüsterten. Aber El Corazón verließ seine Deckung, winkte zweien seiner Leute zu und war kurz darauf mit dem Frettchen im Wald verschwunden.
    Die Zeit des Wartens begann, in der man den Puls dumpf in den eigenen Ohren hört, die Angst, die immer da ist, einem den Gaumen austrocknet. Maria Christina preßte sich an Brenski, er schob seine Hand unter ihr Hemd und spürte ihre nackte Brust. Sie dehnte sich wie ein Bogen ihm entgegen. Er packte sie mit beiden Händen, sie umschlang ihn, ergriff ihn, führte ihn, und so liebten sie sich in den Minuten der Gefahr. Und gerade diese Gefahr machte ihre Vereinigung zu einem tödlich lebensbejahenden Spiel der Lust, wie es intensiver kaum erlebt werden kann.
    El Corazón lag hinter dem großen Haselbusch und schaute auf den Pfad hinunter, den der Spähtrupp der Nacionales hochkam. Es waren fünf Mann, voran ein Tenente, ein Leutnant, und hinter ihm vier Soldaten. Es waren Söldner der spanischen Fremdenlegion, und sie verstanden ihr Handwerk, gerade weil sie Berufssoldaten waren; in vielen Jahren der Kolonialkämpfe gegen aufständische Nomadenstämme in Nord- und Westafrika gehärtet, vom glühenden Samum der Sahara gestählt wie von den eisigen Winterstürmen im Hohen Atlas.
    Sie beachteten jedes Blatt und jeden Grashalm. Sie hielten sechs, sieben Meter Abstand untereinander, verständigten sich nur durch Handzeichen, witterten nach allen Seiten. Sie blieben stehen, schnüffelten, durchkämmten mit ihren harten, blauen und grauen Blicken die Baumwipfel.
    El Corazón spürte, wie das Lid seines rechten Auges zu zucken begann. Er hatte Angst.
    Zum erstenmal seit seinem ersten Gefecht bei Ausbruch des Krieges hatte er Angst. Wenn sie hier entdeckt wurden, dann waren sie verloren. Es mußte Nacht sein, dann konnten sie endlich weiter. Aber wenn man sie vorher entdeckte, waren sie im Nu eingeschlossen. Die Nacionales würden ein Flugzeug herbeirufen, und es würde sie in den Waldboden hineinbomben, bis nur noch blutiger Dreck von ihnen übrigblieb.
    Geht weg, flüsterte er in Gedanken. Er versuchte, seinen Wunsch in die Köpfe der Legionäre hineinzubohren.
    Geht weg!
    Macht, daß ihr von hier fortkommt!
    Der Leutnant blieb stehen, schüttelte den Kopf. Aber der Sergeant hinter ihm drängte ihn durch eine scheuchende Armbewegung weiterzugehen. Das schien den Autoritätssinn des jungen Bürschchens zu reizen.
    »Legionär Märten!« Der junge Leutnant brach mit seiner Stimme in die Stille des Waldes ein wie ein Trunkenbold, der sich in eine Kirche verirrt.
    Märten blickte ihn wütend an.
    »Ich habe genug gesehen. Hier ist kein Schwanz«, sagte der Leutnant.
    Im Flüsterton erwiderte der Legionär mit dem Namen Märten etwas, aber der Tenente, in seinem Offiziersstolz verletzt, machte jetzt seinerseits eine scheuchende Bewegung mit der Hand, befahl knapp: »Atrás, atrás! Zurück!« und sie gingen tatsächlich den Pfad hinunter, zurück in Richtung auf die Straße nach Barcelona, woher sie gekommen waren.
    Aber El Corazón ließ sich nicht so leicht einlullen. Er beschattete mit seinen Leuten den Spähtrupp der Nacionales so lange, bis sie eine Nebenstraße erreichten, wo ein kleiner, offener Lastwagen mit einem aufmontierten MG und einem dösenden Schützen und Fahrer parkte.
    Erst als sie abgefahren waren, in Richtung Osten, ging El Corazón zurück. Während des Aufstiegs zur Hütte dachte er, wie oft kann man solche Angst ertragen? Wie oft, ehe man zum Feigling wird?
    Am Abend aßen sie alle, bis sie mehr als satt waren, sie tranken Tee, sie besprachen die Lage, ehe sie aufbrachen.
    »Wir sind zwanzig Kilometer von der Eisenbahn

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