Der Geschichtenverkäufer
Qualität der Sendung keine Obergrenze geben. Ich stellte ganze Sammlungen von guten Programmvorschlägen zusammen - alles zwischen Preisausschreiben, Witzen, Spukgeschichten, Sketchen, Tiergeschichten, wahren Erlebnissen, Märchen und Hörspielen, die ich selber verfaßte. Ich stoppte bei jedem Beitrag die Zeit und hielt mich innerhalb des Rahmens von sechzig Minuten. Das war lehrreich. Es war beeindruckend, wieviel sich in sechzig Minuten unterbringen ließ, wenn man kritisch genug an die Sache heranging. Ich ging kritisch an die Sache heran, was sich von Lauritz Johnson leider nicht behaupten ließ. Sogar ein Mann wie Alf Pr0ysen hätte sich fragen sollen, wie oft wir uns anhören mochten, daß er ein Zweieinhalb-Öre-Stück in sein Sparschwein gesteckt hatte. Walt Disney besaß Selbstkritik, er war göttlich, er hatte sein eigenes Universum erschaffen. Walt Disney und ich hatten überhaupt viel gemeinsam. Auch er hatte sich seinerzeit vom Kopenhagener Tivoli inspirieren lassen, um dann später sein eigenes Disneyland zu entwerfen. Ich dachte mir witzige Donald-Geschichten aus, die ich Walt Disney schicken wollte, aber dazu kam es nie.
Auch meine Vorschläge an den Norwegischen Rundfunk sandte ich nicht ab. Sie hätten sie natürlich angenommen, aber ich hatte gar nicht das Bedürfnis, mir eine Kinderstunde im Radio anzuhören, die ich mir schon in allen Einzelheiten vorgestellt hatte. Also behielt ich meine großartigen Ideen für mich. So zurückhaltend sind nicht alle. Wie die Entwicklung des Fernsehens beweist.
Als 1960 die ersten landesweiten Sendungen ausgestrahlt wurden, war ich bei Nachbarn zu Besuch und konnte die Eröffnungsrede des Ministerpräsidenten mit anhören. Ministerpräsident Einar Gerhardsen erklärte, daß viele Menschen verständlicherweise befürchteten, das Fernsehen könne das Familienleben und die Entwicklung der Kinder störend beeinflussen. Viele fürchteten, das Fernsehen könne die Kinder von den Hausaufgaben und vom aktiven Spiel in Licht, Luft und Sonne ablenken, wie er sagte. Mit dem Fernsehen verhalte es sich aber kaum anders als mit dem Radio, betonte der Ministerpräsident, wenn etwas neu sei, wolle natürlich jeder soviel wie möglich davon haben. Er glaube, das werde sich bald und von selbst wieder legen. Nach einiger Zeit würden wir gelernt haben, sorgfältig auszuwählen. Wir müssen lernen, das auszusuchen, was wirklich Wert hat, sagte Einar Gerhardsen, wir müssen lernen auszuschalten, wenn eine Sendung uns nicht wirklich interessiert. Erst dann wird das Fernsehen Nutzen und Freude zugleich bringen. Er hoffe, das Fernsehen werde zu einem wichtigen Faktor in Unterricht und Volksaufklärung, zu einem neuen Mittel der Wissensverbreitung im Land. Das Fernsehen sei ein Schlüssel zu neuen Werten, und vor allem an Sendungen für Kinder und Jugendliche müßten strenge Ansprüche gestellt werden.
Einar Gerhardsen war von einem unerschütterlichen Fortschrittsglauben geprägt. Außerdem war er ein guter Mensch, der zum Glück nicht mehr miterleben mußte, wie sich das Medium Fernsehen entwickelte. Wenn er heute noch lebte, hätte er die Wahl zwischen Seifenoper und Reality-TV. Er könnte sehen, wie die Sender um Qualität wetteifern, wenn es um Sendungen für Kinder und Jugendliche geht. Und er wäre Zeuge, wie treffsicher wir uns für besonders wertvolle Programme entscheiden.
Ich hatte mich also bei einem Nachbarn eingeladen, der sich einen Fernseher gekauft hatte. Es war mir nicht peinlich, mich selber einzuladen, es war unmittelbar nach Ende der Sommerferien, und ich besuchte die zweite Klasse. Das neue Medium wollte ich vom ersten Moment an mitverfolgen.
Der Nachbar hatte keine Kinder, das war mir nur recht. Ich glaube, er hatte auch keine Frau, ich habe ihn jedenfalls nie in weiblicher Gesellschaft gesehen, aber er hatte einen großen Labrador namens Waldemar. Ich ging früh genug hin, um vor der ersten offiziellen Fernsehausstrahlung ein wenig mit Waldemar zu spielen, das gefiel dem Nachbarn nämlich. Ich fragte, ob er glaube, daß Hunde denken können, und er war sich ganz sicher. Er erzählte, er könne Waldemar an den Augen und am Schwanz ansehen, ob er träumte oder nur schlief. Aber dann träumt er sicher nur von Knochen oder Hundekuchen, wandte ich ein, vielleicht träumt er auch von Hündinnen, aber ich glaube nicht, daß ein Hund zum Beispiel eine ganze Theatervorstellung träumen kann. Hunde können nicht sprechen, erklärte ich, und darum können sie
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