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Der Geschichtenverkäufer

Der Geschichtenverkäufer

Titel: Der Geschichtenverkäufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jostein Gaarder
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habe den Jungen verführt. Viele konnten bezeugen, daß sie in Anwesenheit des Jungen immer wieder gekichert und gelacht und sich überhaupt höchst aufreizend benommen hatte.
    In aller Heimlichkeit suchten die Kjærgaards für Lotte einen neuen Dienst bei einer südjütischen Familie. Doch als Lotte einige Monate darauf einen Sohn zur Welt brachte, nahmen sie dieses Kind zu sich, es hatte schließlich das ehrwürdige Blut der Sippe in seinen Adern. In der Familie wimmelte es nicht gerade von Kindern, deshalb durfte kein Tropfen dieses edlen Blutes verlorengehen. Lotte wehrte sich und weinte bitterlich, als ihr der Junge nur wenige Wochen nach der Geburt weggenommen wurde, aber alle anderen hielten sie für unfähig, sich um das Kind zu kümmern, aus finanziellen wie aus charakterlichen Gründen. Der Junge hatte außerdem keinen Vater.
    Morten wollte von dem Kleinen natürlich nichts wissen, und er war viel zu jung, um die Vaterschaft auf sich zu nehmen. Seine Eltern dagegen waren zu alt, um ihn als ihr leibliches Kind aufzuziehen. Doch Morten hatte noch einen Onkel, der schon lange unter seiner kinderlosen Ehe litt; er und seine Frau übernahmen die elterliche Verantwortung für den kleinen Knaben, der den Namen Carsten erhielt.
    Als Carsten größer wurde, überlegte er sich ab und zu, daß seine Eltern ihn doch in ziemlich vorgerücktem Alter bekommen hatten, die Mutter war fast fünfzig gewesen, doch nie kam er auf die Idee, daß Stine und Jacob, wie sie hießen, nicht seine biologischen Eltern sein könnten. Zum Geburtstag bekam er immer eine Karte von »Vetter Morten«, und bis zu seiner Konfirmation brachte ihm die Post auch alljährlich ein kleines Weihnachtsgeschenk, doch nie hätte er in dem achtzehn Jahre älteren Vetter seinen biologischen Vater vermutet. Es handelte sich dabei um ein gutgehütetes Familiengeheimnis, in das er niemals eingeweiht wurde.
    Jacob fuhr als Kapitän auf einem großen Frachtschiff, und als kleiner junge durfte Carsten mit seinem Vater oft in die weite Welt hinausfahren. Er hing sehr an seinen Eltern, die hatten ja nur dieses eine Kind, das sie denn auch über alles liebten.
    Carsten stand kurz vor dem Abitur, als Krankheiten Stine und Jacob innerhalb weniger Monate hinwegrafften. Carsten stand plötzlich ganz allein in der Welt - denn seine Großeltern waren längst gestorben. Jacob aber hatte auf dem Totenbett seinem Sohn die alte Geschichte vom Dienstmädchen in der Waschküche und Vetter Morten anvertraut, der in Wirklichkeit Carstens leiblicher Vater war.
    Carsten hatte zu dieser Zeit keinen Kontakt mit seinem Vetter. Sie hatten einander seit vielen Jahren nicht gesehen, doch als Carsten dann sein Studium an der Universität Arhus antrat, brauchte er plötzlich Geld. In seiner Verzweiflung ging er zu Morten, der natürlich wußte, daß Carsten sein Sohn war, der aber auch davon ausging, daß er jetzt, da Stine und Jacob nicht mehr lebten, der einzige war, der dieses Geheimnis kannte.
    Morten arbeitete inzwischen als angesehener Oberarzt am Krankenhaus von Arhus. Er war verheiratet mit der schönen Malene, der Tochter eines Richters am Kopenhagener Obersten Gericht, sie hatten zwei niedliche Töchter, Maren und Mathilde, die beide im Kirchenchor sangen, und Morten hatte nicht vor, seinen Vetter in sein makelloses bürgerliches Dasein eindringen zu lassen. Er wußte schließlich, aus welch zweifelhaften Verhältnissen der Junge stammte.
    Ohne preiszugeben, daß er alles wußte, bat Carsten seinen wohlhabenden Vetter um ein kleines Darlehen oder lieber noch ein Stipendium von fünf- oder zehntausend Kronen, denn ihm war bekannt, daß der Vetter über Geldmangel nicht klagen konnte. Doch Morten wies diese Bitte schroff zurück, er lehnte die demütige Bitte des jungen Studenten um eine kleine Hilfe in einer Notlage ab. Er schenkte ihm ein Glas teuren Whisky ein, riß ein paar Witze über alte Zeiten und setzte ihn dann mit einigen allgemeinen Wünschen für ein erfolgreiches Studium vor die Tür. Carsten, der seinen leiblichen Vater wegen der jahrelangen Täuschungsmanöver ohnehin beinahe haßte - drehte sich zu Morten um, schaute ihm in die Augen und fragte: Findest du es nicht schändlich, deinem eigenen Sohn ein Darlehen von ein paar tausend Kronen zu verweigern? Vielleicht sollte ich beim nächsten Mal mit Malene sprechen ...
    Morten fuhr zusammen, Carsten aber hatte ihm schon den Rücken gekehrt und sagte im Gehen nur noch: Für diesmal ist das Thema erledigt.
    Nach

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