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Der Geschichtenverkäufer

Der Geschichtenverkäufer

Titel: Der Geschichtenverkäufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jostein Gaarder
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von Männern mit Ohrstöpseln nur so wimmeln. Ich sah sie schon vor mir, sah, wie sie in den Ruinen der alten Papiermühlen Posten standen. Ich konnte schon Beates Lachen hören und wußte, wie das danach überreichte Bündel von Geldscheinen aussehen würde. Ich hatte eine viel zu lebhafte Phantasie.
    Ich schaute zum Bild von Ibsen hoch. Konnte die Wahrheit nicht auch darin liegen, daß Beate und ich zwei Schiffbrüchige waren, die versuchten, zueinander zu gelangen? Ich dachte an Frau Linde und Rechtsanwalt Krogstad, ihr Geist saß sozusagen noch in den Wänden. Ich war überzeugt davon, daß auch Beate eine schwere Last mit sich herumschleppte. Warum sollte es da so unvorstellbar sein, daß wir eine gemeinsame Zukunft hatten? Sie wohnte unten im Ort in einem gemieteten Zimmer und war Kunstmalerin. Sie wußte nicht, daß ich sehr reich war, das würde zu den letzten Dingen gehören, die sie erfahren sollte.
    Um halb elf am nächsten Vormittag saß sie auf der Treppe vor dem Dom. Auch an diesem Tag trug sie das gelbe Kleid, und ich dachte, daß wir uns selbst in etwas so Alltäglichem wie unserem Umgang mit Kleidungsstücken ähnelten. Wenn ich auf Reisen war, wusch ich meine Sachen immer erst dann, wenn sie vor Schmutz schon starrten. Vielleicht trug sie das gelbe Kleid aber auch besonders gern. Mir gefiel es ja auch. Außerdem war Ostern, und sie konnte das Kleid seit dem vergangenen Abend gewaschen haben, das konnte eins von den Dingen gewesen sein, die sie erledigen wollte. Ihre weißen Sandalen hatte sie jedoch gegen solide Turnschuhe vertauscht. Wir wollten schließlich eine Wanderung machen.
    Sie stand auf und kam mir entgegen. Zusammen stiegen wir die vielen Treppen zum Dom hinauf und blieben vor dem Portal stehen, um uns die Lieder der Ostermesse anzuhören. Beate betrug sich feiertäglich und schelmisch zugleich.
    Wir fanden die Gassen, die aus der Stadt hinausführten, und während wir die steilen Hänge zwischen den Zitronenpflanzungen hochstiegen, sagte sie, ihr sei noch nie ein Mann begegnet, mit dem sie sich dermaßen auf derselben Wellenlänge gefühlt habe wie mit mir. Ich revanchierte mich mit derselben Offenheit und fügte hinzu, daß ich trotz einiger kurzlebiger Beziehungen zuletzt als sehr junger Mann verliebt gewesen sei. Lächelnd erklärte ich, nur auf sie gewartet zu haben. Auch an diesem Tag fehlte es unserem Gespräch nicht an Ironie und Übertreibung, doch jetzt lag dahinter ein tiefer Ernst. Ich war mir ganz sicher, daß ich Beate wirklich wichtig war, und sie wußte schon, daß ich Amalfi am Mittwoch verlassen würde.
    Jetzt fragte ich, ob es ein Zufall gewesen sei, daß sie mich am Vortag um Streichhölzer gebeten habe. Sie lächelte schelmisch, nickte aber. Und sie sei mir auch nicht ins Valle dei Mulini gefolgt? Sie schüttelte den Kopf, sagte aber, sie habe sich ausrechnen können, daß ich einen Spaziergang machen wollte. Und es sei keine große Kunst gewesen, sich vorzustellen, wohin der mich führen würde, da es doch nur ein Tal zur Auswahl gab. Dennoch sei es Zufall gewesen, daß sie mich um Streichhölzer gebeten habe, sagte ich abschließend, aber keiner, daß sie danach denselben Weg eingeschlagen hatte? Vermutlich nicht, sagte sie geheimnisvoll. Aber ich wollte der Sache auf den Grund gehen, nicht nur, weil ich an Luigi dachte. Wir hatten doch noch gar nicht miteinander geredet, beharrte ich, kaum einen Blick gewechselt. Erst lachte sie, dann lieferte sie eine ganz neue Version der Geschichte. Sie sagte: Du bist vielleicht ein guter Beobachter, aber ich glaube, du kennst dich selber ziemlich schlecht ... Erst kommst du mit dem Corriere della Sera ins Lokal, also bist du vermutlich Italiener, und zwar etwas für diese Gegend so Seltenes wie ein Intellektueller. Dann setzt du dich und schaust zu mir herüber, dein Blick verrät nicht viel, aber er sagte mir immerhin, daß du nicht homosexuell bist. Du bestellst Pizza und Bier, also bist du vielleicht doch ein Tourist, aber du sprichst offenbar gut Italienisch. Wieder schaust du zu mir herüber, aber diesmal siehst du nur meine Füße an und registrierst meine weißen Sandalen. Ich halte das für ein wichtiges Detail, denn nicht alle Männer achten auf die Füße einer Frau, du aber, du läßt deinen Blick auf meinen Füßen ruhen, du versenkst dich in die Betrachtung meiner Sandalen, also mußt du ein sinnlicher Mensch sein. Dann schlägst du die Zeitung beim Kulturteil auf, also bist du vielleicht sogar ein Mensch mit

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